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Das Bundesministerium für Gesundheit hat ein Gutachten in Auftrag gegeben, mit dem die Abschaffung des Heilpraktikerberufs geprüft werden soll. Das wäre das Ende eines wertvollen Berufsstands, vieler naturheilkundlicher Behandlungsmethoden und der Entscheidungsfreiheit der Patienten.

Auf einen Blick
  1. Nach rund 80 Jahren soll der Beruf des Heilpraktikers abgeschafft werden.
  2. Als Hauptargument wird immer die »Patientensicherheit« vorgeschoben.
  3. Doch im Vergleich zur Schulmedizin passieren Heilpraktikern nur sehr wenige Kunstfehler.
  4. Am liebsten wäre es den Kritikern, wenn die Homöopathie gleich mit abgeschafft und der Patient umfassend entmündigt würde.
  5. In wenigen Wochen erwartet das Bundesgesundheitsministerium das Gutachten, mit dem es über den Heilpraktikerberuf entscheiden möchte.

Heilpraktiker – Gefahr oder Segen?

Heilpraktiker? War da was? Sägt da einer am Stuhlbein? Genau so könnte man die derzeitigen Umtriebe auf politischer Ebene wohl beschreiben.

Gegen viele Leiden ist ein Kraut gewachsen – alternative Heilmethoden sind eine wertvolle Ergänzung zur Schulmedizin
©Alexander Raths – stock.adobe.com

Am 30.10.2019 stellte das Bundesministerium für Gesundheit (BGM) unter dem Geschäftszeichen 314-4334-/5 eine Ausschreibung ins Internet, dessen Ziel die Erstellung eines Rechtsgutachtens war. Zu Art und Umfang der zu erbringenden Leistung hieß es in der Ausschreibung: »Das Rechtsgutachten soll das Heilpraktikerrecht einschließlich der dazu ergangenen Rechtsprechung umfassend aufarbeiten und insbesondere klären, ob und welchen rechtlichen Gestaltungsspielraum der Bundesgesetzgeber im Falle einer Reform des Heilpraktikerrechts zur Stärkung der Patientensicherheit hätte.«

Hört sich eigentlich ganz harmlos an, oder? Wenn es nicht die sogenannte »Leistungsbeschreibung (Anlage A)« zu der Ausschreibung gäbe, in der näher beschrieben wird, auf welche Fragen der Auftraggeber insbesondere eine Antwort durch das Rechtsgutachten erwartet. Denn dort steht auf Seite 4 in Punkt 2.2:

»Gibt es alternativ zu einer Regelung die grundsätzliche Möglichkeit, den Heilpraktikerberuf in Zukunft entfallen zu lassen? Was wäre in einem solchen Fall zu beachten?« Und weiter: »Welche Übergangsregelungen insbesondere für aktuell tätige Heilpraktikerinnen und Heilpraktiker, Personen, die bereits einen Antrag auf Erteilung einer Heilpraktikererlaubnis gestellt haben oder sich in einer Ausbildung befinden, die auf die Heilpraktikerüberprüfung vorbereiten soll, wären mindestens erforderlich?«

Mit anderen Worten möchten die Beamten im Ministerium von Jens Spahn gerne wissen: Wie können wir den Beruf des Heilpraktikers abschaffen? Und am besten so, dass auch alle bereits tätigen oder noch in Ausbildung befindlichen Heilpraktiker auf einen Rutsch von der Bildfläche verschwinden.

Ständig vorgeschoben: die Patientensicherheit

Für alle Patienten, die eine alternative Behandlung zur Schulmedizin wünschen oder eine kombinierte Behandlung von Schulmedizin und Naturheilverfahren in Form der Integrativen Medizin, wäre das ein Schlag ins Gesicht.

Immerhin begeben sich im statistischen Durchschnitt täglich 128.042 Patienten in Deutschland zur Behandlung in eine der rund 47.000 Heilpraktikerpraxen. Das macht auf’s Jahr umgerechnet mehr als 46 Millionen Besuche.1 Das vordergründigste und stets wiederholte Argument, mit dem die Abschaffung der Heilpraktiker begründet wird, ist die Patientensicherheit. Heilpraktiker, so heißt es, haben keine medizinische Ausbildung und sind schon alleine deshalb ein nicht zu unterschätzendes Risiko. Doch Halt: Wie viele »Kunstfehler«, die auf Behandlungen von Heilpraktikern zurückzuführen sind, passieren jährlich? Es sind so wenige, dass es dazu nicht einmal eine Statistik gibt. Mehr als ein bis zwei Dutzend sind es bestimmt nicht, wenn überhaupt.

Ganz anders sieht es bei den Ärzten aus. Für das Jahr 2018 haben die gesetzlichen Krankenkassen knapp 3.500 durch Ärzte verursachte Kunstfehler festgestellt,2 bei denen ein Patient zu Schaden kam. Und da sind die privaten Krankenversicherungen noch gar nicht berücksichtigt. Freilich, kann man jetzt einwerfen, der Vergleich hinkt. Schließlich nehmen Heilpraktiker keine invasiven Behandlungen vor, während Ärzte zum Teil hoch komplizierte Eingriffe durchführen. Da ist das Risiko naturgemäß höher.

Das ist ganz klar – aber dann sollte die Abschaffung des Heilpraktikerberufs auch nicht vor dem Deckmäntelchen der Patientensicherheit gefordert werden, was in aller Regel aus dem Lager der Ärzte angeregt wird. Objektiv gesehen drängt sich vielmehr eine Art »Futterneid« auf. Das heißt: Ärzte haben Angst, dass ihnen die Heilpraktiker die Butter vom Brot stehlen. Aber wie meistens, wenn es um Geld geht, eskaliert so ein Streit nicht von heute auf morgen.

Was jetzt in die beabsichtigte Abschaffung des Heilpraktikerberufs mündet, schwelt schon seit Jahren. Und der politische Grundstein dafür wurde bereits im Koalitionsvertrag zwischen CDU, CSU und SPD zur 19. Legislaturperiode gelegt, der am 12. März 2018 unterschrieben wurde – mit einem harmlosen Satz, der bislang kein großes Aufsehen erregte, es aber dafür umso mehr in sich hat. So heißt es in Zeile 4.685 und 4.686 des Koalitionsvertrags: »Im Sinne einer verstärkten Patientensicherheit wollen wir das Spektrum der heilpraktischen Behandlung überprüfen.«

Berufsverbot entmündigt die Patienten

Es ist nur ein einziger kleiner Satz, der heute in die Überlegung zur Abschaffung eines ganzen Berufsstandes mündet. Und wieder wird die »Patientensicherheit« vorgeschoben. Also ob man dem mündigen Patienten nicht zutrauen könnte, dass er weiß, bei wem er sich behandeln lässt – und ihm deshalb vorsorglich gleich seine Entscheidungsfreiheit nimmt.

An den Kosten, welche durch die anschließende Behandlung von Kunstfehlern durch Heilpraktiker den Kassen entstehen, kann es nicht liegen, denn die sind marginal. Ansonsten müsste konsequenterweise den Rauchern auch das Rauchen verboten werden. Denn durch sie entstehen den Sozialversicherungen jährlich Kosten in Höhe von etwa 50 Milliarden Euro – kein Vergleich zu den Kosten, die Heilpraktiker verursachen.3

Die Ausrede mit der »Evidenz«

Ein anderes Argument, das gegen die Behandlung durch Heilpraktiker vorgeschoben wird, ist die fehlende Evidenz. In der Medizin heißt das, dass zur Behandlung von Patienten Methoden angewandt werden, deren Wirksamkeit und Sicherheit durch wissenschaftliche Studien überprüft wurde. Beim Deutschen Cochrane-Zentrum in Freiburg wird das so definiert:4

»Evidenzbasierte Medizin (EbM) ist der gewissenhafte, ausdrückliche und vernünftige Gebrauch der gegenwärtig besten externen, wissenschaftlichen Evidenz für Entscheidungen in der medizinischen Versorgung individueller Patienten. Die Praxis der EbM bedeutet die Integration individueller klinischer Expertise mit der bestverfügbaren externen Evidenz aus systematischer Forschung.«

Allerdings wäre es schön, wenn zumindest die Kritiker der fehlenden Evidenz bei der Behandlung durch Heilpraktiker diese hohe Messlatte auch bei sich selbst anlegen würden. Denn etwa 80 Prozent aller schulmedizinischen Behandlungsmethoden sind ebenso wenig evidenz-basiert5 wie die Behandlungen der Heilpraktiker. Trotzdem wird dieses Argument immer wieder angeführt, gegen Heilpraktiker im Allgemeinen sowie gegen die Homöopathie im Besonderen.

Auch der Homöopathie soll es an den Kragen gehen

Am liebsten würde man die »wirkungslose« Behandlung mit Kügelchen und Tropfen gleich mit abschaffen. Und dabei fallen die Ärzte sich gegenseitig selbst in den Rücken. Denn nicht nur Heilpraktiker wenden die Homöopathie an, es gibt in Deutschland auch rund 7.000 Ärzte mit der Zusatzbezeichnung »Homöopathie«.6

Um diese »Auswüchse« zu regelemtieren und zu beseitigen, arbeiten derzeit verschiedene Landesärztekammern in Deutschland darauf hin, dass den homöopathisch orientierten Ärzten ihre Zusatzbezeichnung genommen wird und die Kosten für eine homöopathische Behandlung nicht mehr von den Kassen erstattet werden, so wie es in Frankreich ab 2021 der Fall sein wird.7

Ganz klar, was auch hier wieder dahinter steckt: das liebe Geld. Während ein Arzt mit der Zusatzbezeichnung »Homöopathie« für ein Anamnese-Erstgespräch 90 Euro erhält, bekommt der Hausarzt ohne diese Zusatzbezeichnung für ein Erstgespräch nur etwa 36 Euro. Mit dem Unterschied, dass ein homöopathisches Erstgespräch 1 Stunde und länger dauern kann, das Erstgespräch beim Hausarzt im Durchschnitt aber nur 8 Minuten. Darüber aber sieht man großzügig hinweg.

Ebenso wie über die wissenschaftlich bewiesene Tatsache, dass durch den Einsatz homöopathischer Mittel der Verbrauch von Antibiotika etwa halbiert und damit eine große Gefahr, die auf uns zukommt, entschärft werden könnte. Der unsachgemäße und übertriebene Einsatz von Antibiotika ist der Grund dafür, dass immer mehr Keime resistent dagegen werden und jetzt schon jedes Jahr mehr als 33.000 Menschen in Europa an Infektionen mit multiresistenten Keimen sterben, weil keine Antibiotika mehr dagegen wirken.

Die EPI3-Kohortenstudie8 mit 825 Hausärzten und 518 Patienten aber wies nach, dass die Verwendung homöopathischer Mittel bei Infektionen der oberen Atemwege ungefähr jede zweite Antibiotika-Verschreibung erübrigt.

Was ist mit der Berufsfreiheit des Grundgesetzes?

Doch zurück zur geplanten Abschaffung des Heilpraktikerberufs. Derzeit ein großes Problem ist die rechtliche Grundlage für die Tätigkeit als Heilpraktiker: das Heilpraktikergesetz von 1939. Es ist ein sogenanntes vorkonstitutionelles Recht9, das noch aus der NS-Zeit stammt und eigentlich schon damals die Absicht hatte, den Beruf des Heilpraktikers abzuschaffen. So wurde darin nur bereits tätigen Heilpraktikern die Berufsausübung erlaubt, die Ausbildung neuer Heilpraktiker aber verboten.

Nach dem Kriegsende wurde das Heilpraktikergesetz von den Alliierten entrümpelt und gilt seitdem in allen seinen schon 1939 vorhandenen Teilen weiter, die nicht gegen das Grundgesetz der Bundesrepublik Deutschland stehen. Mit seinem Urteil vom 24. Januar 1957 bestätigte schließlich das Bundesverwaltungsgericht die Berufsfreiheit des Heilpraktikers,10 sofern von diesem »keine sittlichen, strafrechtlichen oder Gefahren für die Volksgesundheit ausgingen.« Das ist im Wesentlichen auch der Stand von heute.

Aus dieser Perspektive wäre es also schon dringend notwendig, den Beruf des Heilpraktikers zu reformieren – nicht, um ihn abzuschaffen, sondern um ihn auf eine moderne rechtliche Grundlage zu stellen. Und damit allen Patienten, die es wünschen, auch für die Zukunft zu garantieren, dass sie sich für eine alternative und naturheilkundliche Behandlung entscheiden können.

Der Zuschlag der Ausschreibung des Bundesgesundheitsministeriums zur Überprüfung der Reformmöglichkeiten des Heilpraktikerberufs ging an den Jura-Professor Dr. Christof Stock von der Katholischen Hochschule Nordrhein-Westfalen in Aachen. Bis zum 14. Juli 2020 hat der Fachanwalt für Medizin- und Verwaltungsrecht sein Gutachten fertigzustellen. Dann wird sich zeigen, wie es um den Beruf des Heilpraktikers und die im Grundgesetz garantierte Berufsfreiheit steht – insbesondere bei einem Beruf, der seit rund 80 Jahren existiert und ausgeübt wird …

Wenn Sie sich für die Erhaltung des Berufs des Heilpraktikers einsetzen möchten: #ProHeilpraktiker hat eine Petition an die Bundesregierung gestartet. Mehr dazu finden Sie hier …

Quellen & weiterführende Informationen

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