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»Die beste Alternative zu Zucker ist: weniger Zucker«
Stefan Kabisch,
Studienarzt am Deutschen Institut für Ernährungsforschung
Auf den ersten Blick gesund, auf den zweiten besorgniserregend
Die »Big Player« der Nahrungsmittelindustrie verfolgen vor allem ein Ziel: Geld machen. Sie drehen und wenden sich mit den Trends, um den Gewinn durch neue und zielgruppengenaue Produkte zu maximieren. Da der Trend schon seit einigen Jahren in Richtung »Healthy Lifestyle« geht, werden nun viele Produkte als gesund angepriesen, die es gar nicht sind. Damit der Konsument nicht in die Irre geführt wird, soll in Deutschland noch in diesem Jahr der »Nutri-Score« eingeführt werden.
Die Nährwertkennzeichnung signalisiert den Nährwertgehalt in den Farben Grün für gesund bis Rot für ungesund. Ergänzt wird das ampelähnliche System durch die Buchstaben A bis D – zumindest wird es so in unserem Nachbarland Frankreich praktiziert, welches den Nutri-Score bereits 2017 eingeführt hat. Auch wenn die Einführung des Nutri-Scores in Deutschland kurz bevorsteht, gibt es einige Problematiken: Der Nutri-Score stellt die Nährwerte nicht einzeln dar, berücksichtigt Nährstoffe wie Vitamine und Mineralien nicht, das Produkt muss nicht in allen Bereichen gut abschneiden um einen hohen Nutri-Score zu erhalten und last but not least ist die Angabe des Nutri-Scores für Lebensmittelhersteller auf freiwilliger Basis und nicht verpflichtend.
Um herauszufinden, ob ein Produkt gesund ist oder nicht, muss man immer noch den klassischen Weg gehen: Packung umdrehen, Nährwerte und Zutatenliste checken und ganz wichtig – über die Marketingfallen der Nahrungsmittelindustrie Bescheid wissen.
Die häufigsten Marketingfallen der Nahrungsmittelindustrie
»Zuckerfrei«
Coca-Cola & Co. verkaufen uns ihre Limonaden als coole Lifestyle-Drinks, die von glücklichen Menschen getrunken werden. Wir alle wissen, wie ungesund deren pappsüße Soßen sind.
Als immer mehr Menschen begannen, auf den Zuckergehalt ihrer Getränke zu achten, warfen die Limo-Giganten eine Reihe von Light-Produkten auf den Markt, die statt Zucker nun Zuckerersatzstoffe enthalten. Der Vorteil von vielen Zuckerersatzstoffen: Sie haben kaum oder keine Kalorien. Somit konnte die Werbung nun suggerieren, dass man ihre neuen Produkte frei von Reue genießen kann.
Doch nicht nur in süßen Getränken, auch in zahlreichen anderen Convenience-Food-Produkten befinden sich Zuckerersatzstoffe, damit die Hersteller sie als gesund wirkende Light-Produkte platzieren können. Dafür muss nicht mal »light«, »zuckerreduziert« oder »Diät« auf dem Etikett stehen. Zuckerersatzstoffe verstecken sich überall und hinter einem Dschungel aus Deklarationen. Die meisten Zuckerersatzstoffe jagen den Blutzuckerspiegel tatsächlich nur geringfügig hoch und werden auch in Produkten verwendet, die »für Diabetiker geeignet« sind. Doch wie so oft gilt: Die Dosis macht das Gift – sowohl bei Zucker als auch bei Zuckerersatz.
Durch Zuckerersatz wie Xylit und Erythrit kann man zwar Kalorien sparen und Karies vorbeugen, doch bei übermäßigem Verzehr sorgen sie für Verdauungsprobleme und Kopfschmerzen. Es ist vorteilhafter, Zucker nicht komplett, sondern nur teilweise und in Maßen durch Zuckerersatzstoffe zu ersetzen. Man kann Zuckerersatz beispielsweise zum Backen oder Kochen verwenden, sollte aber auf zuckerreduzierte Fertigprodukte und Getränke verzichten, da sie durch diese die unbedenkliche Tagesdosis leicht überschreiten und sich oft weitere chemische Zusatzstoffe darin verstecken.
Wichtige Info zum Zuckerersatz »Xylit«
Für Tierhalter ist es wichtig zu wissen, dass der häufig verwendete Zuckerersatzstoff Xylit sehr giftig für Katzen, Hunde, Kaninchen und andere Haustiere ist. Es ruft schwere Leberschäden hervor und kann bereits bei wenigen Gramm pro Kilo Körpergewicht tödlich sein.
Der in Light-Limonaden häufig enthaltene Zuckerersatzstoff Aspartam steht sogar unter Verdacht, auf unser Gehirn zu wirken und ab einer täglichen Dosis von 25 Milligramm dafür zu sorgen, dass wir reizbarer und anfälliger für Depressionen sind.1
Wer sich möglichst natürlich ernähren möchte, greift am besten auf hochwertige natürliche Zucker wie Agavendicksaft, Ahornsirup und Kokosblütenzucker zurück.
Fettarme Produkte für die schlanke Linie
Fett wurde in den letzten Jahren als dickmachend und ungesund verteufelt. Dabei gerieten leider auch die guten und für den Körper wichtigen Fette unter die Räder. Die Nahrungsmittelindustrie reagierte, indem sie eine Menge fettreduzierte Produkte herstellte, die als gesünder und gut für die Figur deklariert werden. Tatsächlich ist jedoch das Gegenteil der Fall.
Fett ist ein Geschmacksträger und Lebensmittel, denen Fett entzogen wird, verlieren an Geschmack. Um einen guten Geschmack herzustellen, werden einfach mehr Zucker, Zuckerersatzstoffe und eine Menge chemisch hergestellter Geschmacksverstärker hinzugefügt. Fettreduzierte Produkte sind meist weitaus künstlicher und gesundheitlich bedenklicher als die normale Variante. Nicht alle sparen dabei auch Kalorien, daher sollte man grundsätzlich auf die Nährwerttabelle achten.
Ein Blick auf die Zutatenliste verrät zudem, ob Geschmacksverstärker verwendet wurden. Eine Liste mit in Deutschland zugelassenen Geschmacksverstärkern finden Sie hier. Man kann sich grob merken, dass die E-Nummern 620 – 635 Geschmacksverstärker kennzeichnen, doch es gibt noch einige mehr.
Neben möglicherweise ungesunden Zusatzstoffen, ist auch mit weiteren Nachteilen durch den Konsum von fettreduzierten Lebensmitteln zu rechnen: Fett sorgt für ein Sättigungsgefühl, künstliche Zusatzstoffe wie Glutamat hingegen für mehr Appetit. Und Fett ist ein wichtiger Trägerstoff für fettlösliche Vitamine, die unser Körper braucht. Der beste Rat ist es, auf Fastfood zu verzichten und beim Kochen gesunde Fette wie Olivenöl, Kokosöl oder Avocadoöl zu verwenden.
Glutenfrei ist gesünder
Etwa 1 Prozent der Menschen in Deutschland haben nachweislich eine Glutenunverträglichkeit. Daraus ist ein Markt für glutenfreie Produkte entstanden, der weitere Zielgruppen fand. Da Getreide unter dem Verdacht steht, schwer verdaulich und belastend für den Darm zu sein, versuchen einige Menschen darauf zu verzichten. So wurden glutenfreie Produkte zu einem Trend und fanden den Weg vom Reformhaus in den Supermarkt.
Das Problem bei den meisten glutenfreien Produkten ist, dass sie eine Menge hochraffinierte Stärken, Zucker, Zusatzstoffe und Transfette enthalten. Wer glutenfreie Lebensmittel kauft, sollte stets die Zutatenliste studieren, hier sind die Unterschiede einzelner Marken sehr stark.
Vollkorn ist voll mit Korn
Ob Brot, Cracker, Müsli oder Nudeln – mittlerweile gibt es bei allen Produkten auch die Vollkorn-Variante. Doch nicht immer ist Vollkorn auch voll mit Korn. Nicht selten sorgen Malzextrakt, Röstmalz, Zuckerrüben- oder Karamellsirup für die gesund aussehend dunkle Farbe. So sind in manch Cornflakes-Packungen mit der Aufschrift »gesundes Frühstück mit Vollkorn« nur sehr geringe Mengen Vollkorn enthalten, dafür aber eine Menge Zucker und Zusatzstoffe. Auch die meisten Vollkorn-Backwaren bestehen immer noch zu einem Großteil aus stark raffiniertem Getreide. Hier lohnt es sich, beim Bäcker genauer nachzufragen und bei Vollkornprodukten aus der Packung einen Blick auf die Zutatenliste zu werfen.
Healthy Lifestyle mit Fleischersatz
Der Veggie-Trend setzt sich seit einigen Jahren fort und findet immer mehr Anhänger. Schätzungen zufolge haben wir in Deutschland 8 Millionen Vegetarier. Wieder ein interessanter Markt für die Lebensmittelhersteller. Mittlerweile gibt es nicht nur in Bio-Läden eine große Auswahl von Fleischersatzprodukten, sondern auch in jedem Supermarkt und Discounter. Ob Soja, Erbsenprotein, Pilze, Weizeneiweiß, Süßlupinen oder Jackfruit, hier findet jeder etwas nach seinem Geschmack. Doch gerade bei diesen Produkten muss man auf die Zutatenliste achten.
Da Soja & Co. kaum einen Eigengeschmack haben, müssen die Lebensmittelhersteller für ihre fertigen Fleischersatzprodukte ordentlich Geschmack hinzufügen. Dies kann durch Gewürze und Kräuter geschehen, tut es aber meistens nicht. Oftmals enthalten Fleischersatzprodukte hohe Mengen Zucker, Salz, ungesunde Fette, aber auch künstliche Geschmacksverstärker. Kaufen Sie Bio-Produkte ohne künstliche Zusätze und achten Sie auf die Nährwerttabelle. Tofu lässt sich beispielsweise auch ganz pur kaufen und man kann ihn dann nach eigenem Gusto würzen.
Wer sich ein bisschen mit Inhaltsstoffen von Nahrungsmitteln und Kosmetik auseinandersetzen möchte, dem kann ich die App »Codecheck« ans Herz legen. Die Bewertung der Inhaltsstoffe ist zwar teilweise übermäßig streng, doch man kann auf einen Blick erkennen, was sich hinter den kryptischen Namen auf der Zutatenliste verbirgt und bei welchen Zutaten man möglicherweise nochmal nachforschen könnte.