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Neue Untersuchungen zeigen: Werden Antibiotika kurz vor einer Grippeinfektion eingenommen, fördert das die Entstehung von Lungenerkrankungen wie etwa einer Lungenentzündung. Die Antibiotika schwächen die körpereigene Abwehr, sodass sie im Kampf gegen die Grippeviren zum Verlierer werden.

Vorsicht: Antibiotika schwächen Lunge und Bronchien

Antibiotika sind ein Segen. Sie können heute helfen, dass Menschen bakterielle Infektionen ohne Schaden überstehen, an denen sie vor 100 Jahren und mehr gestorben wären. Dennoch: Im Zusammenhang mit Antibiotika ist nicht alles nur Sonnenschein. Auch wenn sie Leben retten können, kann die Gabe von Antibiotika zum ungeeigneten Zeitpunkt lebensbedrohlich werden. Nämlich dann, wenn sie ein Patient kurze Zeit vor einer Virusinfektion eingenommen hat. Das haben Forscher vor kurzem in einer Studie mit Grippeviren am Francis Crick Institute in London festgestellt.1

Die Einnahme von Antibiotika kann das körpereigene Abwehrsystem gegen Grippeviren in der Lunge signifikant schwächen. Ob das bei Coronaviren ebenfalls gilt, wurde noch nicht erforscht. Betrachtet man aber den Ablauf der Abwehrreaktion während der ersten 2 Tage nach dem Eindringen von Grippeviren in den Körper, liegt dieser Schluss nahe.

Darmbakterien steuern antivirale Aktionen in der Lunge

Antibiotika werden meistens oral eingenommen und entwickeln dann im Darm ihre antibakterielle Wirkung. Um möglichst radikal gegen schädliche Bakterien vorzugehen, werden häufig sogenannte Breitbandantibiotika verordnet. Diese wirken nicht spezifisch gegen einzelne Bakterienarten, sondern greifen gleichzeitig ein breites Spektrum verschiedener Bakterien an – vergleichbar mit einem Schrotschuss auf Spatzen.

Die antibakteriellen Wirkstoffe gehen durch die Darmschleimhaut in den Organismus über. Mit diesem Vorgehen möchte man möglichst schnell eine möglichst umfassende und möglichst effektive Wirkung erzielen. Doch im Darm befinden sich auch viele nützliche Bakterien, die der Körper dringend benötigt, um gesund zu bleiben.

Pro Milliliter Darmflüssigkeit leben dort bis zu einer Billion nützlicher Bakterien, die bei der Verdauung helfen.2 So tragen sie zum Beispiel dazu bei, aufgenommene Nahrung zu zersetzen oder Vitamine zu produzieren, die wir selbst nicht bilden können. Antibiotika jedoch können nicht unterscheiden, ob Bakterien nützlich oder schädlich sind. Neben schädlichen Bakterien vernichten sie rigoros auch nützliche Bakterien – und damit einen ganz wichtigen Teil des körpereigenen Immunsystems.

Aktivierte Kampfgene wehren Bakterienangriffe ab

Sobald nämlich Viren wie etwa Grippeviren in den Körper eindringen, wird dies sofort erkannt und die Bakterien einer gesunden Darmflora reagieren, indem sie Alpha-Interferon (früher: Interferon Typ 1) aussenden. Diese Alpha-Interferone schalten Gene ein, die antivirale Prozesse in Gang setzen, indem sie Körperzellen dazu anregen, bestimmte Proteine zu bilden. Diese Proteine verhindern wiederum, dass Viren an Körperzellen andocken und in sie eindringen können.

Durch die Aussendung spezieller Botenstoffe finden diese Vorgänge nicht nur in darmnahen Geweben, sondern auch in entfernteren Körperregionen wie etwa der Lungen- und Bronchialschleimhaut statt. Diese Vorgänge geschehen alle binnen kürzester Zeit. Dringen Grippeviren in den Körper ein, sind die Lungen- und Bronchialschleimhäute bereits auf die Abwehr der Viren vorbereitet, wenn diese dort ankommen. Die allererste Abwehrlinie des Körpers steht also bereits, noch ehe die Viren sich in der Lunge festsetzen und dort vermehren können.

Studienleiter Dr. Andreas Wack vom Francis Crick Institute beschreibt das so: »Die Zellen in der Lunge sind dann besser gegen die Grippe geschützt, da die entsprechenden antiviralen Kampfgene schon eingeschaltet sind, wenn das Virus an der Zelle eintrifft. Das Virus hat in diesem Fall schon verloren, noch bevor es überhaupt zu einer Abwehrschlacht kommen konnte.«3

Geschädigte Darmflora kann ein Todesurteil sein

Wie wichtig dieser Abwehrprozess ist, zeigt sich daran, was passiert, wenn er nicht richtig funktioniert. Bis das körpereigene Immunsystem mit der Aussendung spezieller Killerzellen reagiert, welche die in die Lunge eingedrungenen Viren bekämpfen sollen, dauert es 2 Tage. Dann hat das Grippevirus die Lungenzellen längst ungehindert gekapert und sich dort vermehrt.

Die Killerzellen treffen jetzt auf eine riesige Armada von Grippeviren, denen sie kaum oder überhaupt nicht mehr Herr werden. Bei Tieruntersuchungen mit Mäusen zeigte sich: Von den Tieren, deren Darmflora nach der Gabe von Antibiotika geschädigt war, überlebten lediglich etwa 30 Prozent eine Virusgrippe. Von den Tieren mit gesunder Darmflora überstanden 80 Prozent die Infektion und wurden wieder gesund.4

Warnung vor Antibiotika während der COVID-19-Pandemie

Die COVID-19-Pandemie verführt allerdings offenbar zum übertriebenen Einsatz von Antibiotika. Jedenfalls sieht sich die Weltgesundheitsorganisation WHO jetzt angehalten, vor einem übermäßigen und vor allem unsinnigen Einsatz zu warnen.5 Das Risiko, dass es deshalb zu tödlichen Folgeerkrankungen kommt, steigt dadurch erheblich.

Außerdem kann es durch die leichtfertige Gabe von Antibiotika zur Zunahme von Resistenzen bei Bakterien kommen. Das heißt, die Keime gewöhnen sich an die Medikamente, so dass diese ihnen nichts mehr anhaben können. Mit der fatalen Folge, dass Patienten sterben, weil ihnen kein Antibiotikum mehr hilft. Schon heute erleiden in Deutschland jedes Jahr zwischen 7.500 und 15.000 Menschen dieses Schicksal – sie sterben an Krankheiten, die noch vor wenigen Jahren mit Antibiotika gut behandelt werden konnten.

Antibiotika sollten deshalb auch während der COVID-19-Pandemie nur sehr zielgerichtet verabreicht werden – etwa, wenn bei einer Virusinfektion eine bakterielle Superinfektion droht. Das ist etwa dann der Fall, wenn das Immunsystem vom Kampf gegen die Grippeviren schon derart geschwächt ist, dass es eine hinzukommende Bakterieninfektion nicht mehr bekämpfen kann. Dann kommt es zu Lungenentzündungen mit überschießenden Entzündungsreaktionen, welche etwa 95 Prozent aller Todesfälle bei Grippe-Epidemien verursachen.6

Darmgesunde Ernährung für die Regeneration der Darmflora

Nicht immer lässt sich der Einsatz von Antibiotika umgehen. Dann sollte nach Abschluss der Therapie alles unternommen werden, um möglichst schnell wieder eine gesunde Darmflora aufzubauen. Wie hartnäckig und anhaltend sonst die Schädigungen der Darmflora sein können, zeigen eindrucksvoll zwei Studien:

● Eine vom Marine Biological Laboratory in Woos Hole, Massachusetts, zusammen mit der Stanford Universität in Palo Alto, Kalifornien, durchgeführte Untersuchung7 zeigte, dass sich die Darmflora nach dem Ende einer Antibiotikatherapie zwar binnen 4 Wochen wieder einigermaßen erholte, aber nur zu einem kleinen Teil. Selbst 6 Monate nach der Therapie hatte sich die Darmflora noch nicht wieder vollständig regeneriert – Teile, der für eine gesunde Darmflora wichtigen Bakterienstämme, fehlten dann immer noch.

● Dieses Ergebnis konnte eine davon unabhängig durchgeführte Untersuchung an der Universität Kopenhagen in Dänemark bestätigen.8 Auch dabei stellten Wissenschaftler fest, dass sich 6 Monate nach Abschluss einer Antibiotikatherapie längst nicht alle nützlichen Bakterienstämme wieder erholt hatten. Einige Bakterienstämme fehlten sogar ganz und es war ungewiss, ob diese sich ohne Behandlung der Darmflora wieder ansiedeln würden.

Mit einer gezielt probiotischen Ernährung kann die Darmgesundheit unterstützt werden

Nach Abschluss einer Antibiotikatherapie ist es deshalb enorm wichtig, die Regeneration der Darmflora gezielt zu unterstützen. Dies kann zu einem durch die Einnahme von Medikamenten geschehen, welche speziell behandelte lebende Darmbakterien enthalten, um die Wiederansiedelung dieser Keime im Darm zu fördern.

Außerdem kann die Darmregeneration mit gezielter Ernährung unterstützt werden. Dazu gehören etwa probiotische Lebensmittel mit lebenden Bakterien für den Darm, wie sie zum Beispiel in Joghurt enthalten sind. Außerdem regt die Darmregeneration der Verzehr von Vollkornprodukten, Getreideflocken, Buttermilch, Quark, Kefir, Sauerkraut, Obst, Hülsenfrüchten, Weizenkleie, Topinambur, Artischocken, Zwiebeln, Knoblauch, Schwarzwurzeln, Chicorée, Leinsamen oder Nüssen an.

Wichtig ist überdies, täglich ausreichend alkoholfreie Flüssigkeit zu trinken – mindestens 2 Liter Mineralwasser oder Kräutertee.

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