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Erst entwickelt die Pharmaindustrie mit großzügiger finanzieller Unterstützung des US-Steuerzahlers Medikamente, dann verkauft sie sie ihm zu überhöhten Preisen. Ein Beispiel dafür ist das antivirale Mittel Remdesivir, auf dem große Hoffnungen für die COVID-19-Behandlung ruhen. Die Entwicklung des Medikaments erfolgte größtenteils mit öffentlichen US-Mitteln, aber Biotech-Riese Gilead Sciences könnte nun Milliarden damit verdienen.

Arzneimittelhersteller werden oft als wohltätige Unternehmen hingestellt, die Milliarden Dollar in die Entwicklung neuer Medikamente und Impfstoffe stecken und dabei in erster Linie das Allgemeinwohl im Blick haben. Ein Beispiel für diese positive Presse ist eine Kolumne in der New York Times, in der es um das antiviral wirkende Mittel Remdesivir ging.1 Remdesivir macht derzeit Schlagzeilen, weil es vielversprechende Ansätze bei der Behandlung von COVID-19 zeigt.

Hergestellt wird Remdesivir vom Biotech-Riesen Gilead Sciences, der im Januar 2020 begann, das Mittel auf »Compassionate Use«-Basis zu verteilen. Damit ist gemeint, dass noch nicht zugelassene Arzneien bei ernsten oder lebensbedrohlichen Erkrankungen auch außerhalb klinischer Studien eingesetzt werden dürfen.2

Auch dass Medikamentenhersteller Patienten in derartigen Krisen Arzneien zur Verfügung stellen, gilt als nobles, selbstloses Verhalten. In der Times-Kolumne heißt es sogar: »Wenn man bedenkt, um was es geht, scheint es pervers, Gilead nicht viel Erfolg zu wünschen … In Pandemie-Zeiten sollte es keinen Hass auf Big Pharma geben.«3

Die Realität allerdings sieht deutlich weniger rosig aus, denn die Pharmaindustrie entwickelt ihre Medikamente mit Steuergeldern, verlangt dann später aber exorbitante Preise dafür.

Bei TMI schreibt der Politik-Kommentator David Sirota, dass die Medien diese alternative Darstellung nur höchst selten beleuchten, was auch kein Zufall sei, denn ansonsten würde »der Mythos von den Medikamentenherstellern als selbstlose Helden untergraben und wir müssten uns eingestehen, dass unsere Gesetze den Medikamentenherstellern aktiv helfen, amerikanische Bürger auszunehmen«.4

Remdesivir wurde mithilfe staatlicher Fördermittel entwickelt

Im April 2020 veröffentlichte das New England Journal of Medicine eine Studie, bei der 61 schwer an COVID-19 erkrankte Patienten Remdesivir auf Compassionate-Use-Basis erhalten hatten. Im Rahmen der Studie wurden Daten von 53 dieser Patienten analysiert.5 Eine klinische Verbesserung wurde bei 36 der 53 Personen beobachtet (68 Prozent).

Obwohl es sich nicht um eine plazebokontrollierte Studie handelt, deuten die ersten Ergebnisse auf einen potenziellen Nutzen bei der Behandlung der Erkrankung hin. Der Gilead-Chef Daniel O’Day verkündete im März 2020 auf einer Pressekonferenz:6

»Es bereitet mir große Freude mitzuteilen, dass es ein Prüfpräparat namens Remdesivir gibt, an dem Gilead seit einem Jahrzehnt arbeitet. Wir haben Milliarden Dollar für den Versuch ausgegeben, dieses Medikament zu entwickeln, und wir befinden uns jetzt im Endstadium der klinischen Studien, sowohl in den Vereinigten Staaten als auch China und schon bald in anderen Ländern.«

Sirota und die gemeinnützige Organisation Knowledge Ecology International (KEI), die sich mit sozialer Gerechtigkeit befasst, weisen auf einen Punkt hin, auf den O’Day nicht eingeht: Die US-Armee, die amerikanische Seuchenschutzbehörde CDC und die Gesundheitsbehörden NIH (National Institutes of Health) und NIAID (National Institute of Allergy and Infectious Diseases) haben die präklinische und die klinische Entwicklung von Remdesivir subventioniert.7 KEI schreibt über die Entdeckung und präklinische Forschungsarbeit des Medikaments:8

»CDC-Wissenschaftler haben für die Suche nach möglichen Kandidaten für die Behandlung von Ebola eine Gilead-Bibliothek mit 1.000 Verbindungen durchsucht. Sie stießen dabei auf eine Vorstufe von Remdesivir, die Forscher und Wissenschaftler von Gilead gemeinsam mit USAMRIID, dem Forschungsinstitut für Infektionskrankheiten der US-Armee, weiterentwickelt haben.«

»USAMRIID-Wissenschaftler haben Remdesivir an mehreren Krankheitserregern getestet, darunter Ebola. Dabei zeigte sich, dass 100 Prozent der mit Ebola infizierten Rhesusaffen nach Behandlung mit dem Medikament überlebten. Den gemeldeten Ergebnissen zufolge zeigte das Medikament Wirkung gegen ein breites Spektrum pathogener RNA-Viren, darunter auch Coronaviren.«

»In einer im Journal of Medicinal Chemistry veröffentlichten Studie heißt es: »Für die erfolgreiche Identifizierung von 4b [Remdesivir] war die Partnerschaft mit staatlichen Einrichtungen wie CDC und USAMRIID entscheidend. Sie generierte die Screening-Daten und führte zu den Wirksamkeitsprüfungen an Rhesusaffen.«9

Gileads Forscher führten in Zusammenarbeit mit den Universitäten North Carolina at Chapel Hill und Vanderbilt weitere Remdesivir-Studien durch und setzten das Mittel bei der Behandlung von MERS (Middle East Respiratory Syndrome) und SARS (Schweres Akutes Respiratorisches Syndrom) ein, zwei Krankheiten, die durch Coronaviren verursacht werden.

Bei den Untersuchungen zeigte sich, dass das Medikament erfolgreich Coronaviren an der Replikation hindert. Die Forschungsarbeit wurde mit Mitteln der NIH finanziert, bei späteren Studien flossen Gelder der Behörden NIAID und BARDA.

» Da diese Forschung zum großen Teil von US-Wissenschaftlern durchgeführt wurde, die von US-Steuerzahlern finanziert wurden, ist es nicht korrekt, zu behaupten oder anzudeuten, dass Remedesivir von Gilead allein entwickelt wurde«, schreibt KEI.10 Spätere klinische Studien zur Wirksamkeit von Remdesivir bei Ebola, haben NIAID und NIH ebenfalls mitgetragen.

Preisvorgabe bei staatlich geförderten Medikamenten wurde wieder gekippt

Rebecca Wolitz von der Philosophie-Fakultät der Universität Yale schreibt im Journal of Legal Medicine:11

»Die Bundesregierung subventioniert die Forschung und Entwicklung rezeptpflichtiger Medikamente. Eine bestechende Kritik an teuren Medikamenten lautet dementsprechend, dass die Preise zu hoch sind, weil der Steuerzahler sie mitfinanziert hat. Diese Kritik unter dem Gesichtspunkt der ›doppelten Bezahlung‹ formuliert – zunächst für die Forschung und anschließend durch die oben erwähnte Marktpreisgestaltung der resultierenden Produkte.«

In der Vergangenheit gab es Preisvorgaben für Medikamente, deren Entwicklung der Staat gefördert hat. Derartige Bestimmungen sollten Preistreiberei einen Riegel vorschieben. Die NIH verabschiedete eine solche Klausel als Reaktion auf die heftige Kritik an den hohen Preisen für Aids-Medikamente, die mit Steuergeldern entwickelt worden waren. Später betrieb die Pharmabranche Lobbyarbeit gegen die Preisvorgaben und die Regelung wurde Jahre später außer Kraft gesetzt.

»Das Fazit: Es könnte passieren, dass man Remdesivir oder jedes andere COVID-Medikament, das mit Geld der amerikanischen Steuerzahler entwickelt wurde, den amerikanischen Steuerzahlern letztlich zu den weltweit höchsten Preisen anbietet«, so Sirota.12 Und falls jemand glauben sollte, Gilead werde schon das Richtige tun und »aus reiner Herzensgüte« Remdesivir zu bezahlbaren Preisen anbieten, empfiehlt Sirota einen Blick in die Geschichte des Unternehmens:13

  • Der Finanzausschuss des US-Senats ermittelte 18 Monate lang zu Sovaldi, einem Hepatitis-C-Medikament von Gilead. Der Ausschuss kam zu dem Ergebnis, dass die Preise – 1.000 Dollar pro Tablette oder 84.000 Dollar pro Behandlung – »nicht die Kosten für Forschung und Entwicklung widerspiegeln« und, dass es »Gilead um Umsatz gehe, nicht um Bezahlbarkeit und Zugänglichkeit«, schreibt The Epoch Times.14
  • Truvada, ein Medikament von Gilead zur Behandlung und Prävention von HIV, kostet in den USA über 20.000 Dollar, in anderen Ländern dagegen weniger als 100 Dollar pro Jahr.15 Dass Truvada auch in der HIV-Prävention eingesetzt werden kann, fand ein CDC-Wissenschaftler heraus, die weitere Entwicklungsarbeit wurde mit Bundesmitteln in Höhe von 50 Millionen Dollar gefördert.
  • Die US-Regierung patentierte die Behandlung 2015, aber Gilead bestreitet die Gültigkeit des Patents an. 2018 nahm das Unternehmen mit Truvada 3 Milliarden Dollar ein. Und hat keine Lizenzgebühren an die US-Regierung gezahlt. 16

Noch einmal Sirota: »Gilead ist auch das Unternehmen, das bereits im Vorfeld versucht hat, Kapital aus einer möglichen COVID-Behandlung zu schlagen (und davon erst abließ, nachdem es öffentlich angeprangert worden war).« Es geht hier um die Einstufung von Remdesivir als Orphan-Arzneimittel, ein Status, der Medikamenten für seltene Krankheiten vorbehalten ist und der es Gilead erlaubt hätte, das Produkt 7 Jahre lang exklusiv zu vermarkten, was aller Wahrscheinlichkeit nach mit höheren Preisen einhergegangen wäre. Nach einem öffentlichen Aufschrei der Empörung stellte Gilead bei der FDA den Antrag, diesen Status wieder aufzuheben.17

Die NIH hat jedes Medikament gefördert, das zwischen 2010 und 2016 neu zugelassen wurde

Die Pharmaindustrie erhält nicht nur Steuergelder für ihre Forschungs- und Entwicklungsarbeit, sie genießt bei Impfstoffen auch besonderen Haftungsschutz bei Schäden, die ihre Produkte verursachen. Tatsächlich sind Impfstoffhersteller in den USA die einzigen Unternehmen, die ein Produkt verkaufen, für das man sie nicht verklagen kann – nicht einmal dann, wenn das Unternehmen nachweislich ein Produkt hätte herstellen können, das weniger Menschen verletzt oder tötet.18

Auch hier ist die Förderung mit Steuergeldern an der Tagesordnung, nicht nur bei Gilead, sondern bei Big Pharma insgesamt. In einem Bericht des Magazins Proceedings of the National Academy of Sciences heißt es, zu sämtlichen Medikamenten, die die amerikanische Arzneimittelbehörde FDA zwischen 2010 und 2016 zugelassen hat – insgesamt 210 Mittel –, erschienen Forschungsarbeiten, an deren Finanzierung die NIH beteiligt war.19

»Insgesamt waren für diese Forschung über 200.000 Jahre Fördermittel in Höhe von mehr als 100 Milliarden Dollar erforderlich«, heißt es in dem Bericht. Und weiter:20

»Die Analyse zeigt, dass über 90 Prozent dieser Mittel für die Grundlagenforschung im Zusammenhang mit den biologischen Ziele von Wirkstoffen verwendet werden und weniger die Wirkstoffe selbst. Die Finanzierung der NIH ergänzt somit die Forschung und Entwicklung der Branche, die sich in erster Linie auf Anwendungsforschung konzentriert.«

»Diese Arbeit unterstreicht die Spanne und Bedeutung öffentlicher Investitionen bei der Entwicklung neuer Therapeutika und das Risiko, wonach eine Reduzierung der Forschungsfinanzierung die Pipeline für die Behandlung tödlicher Krankheiten verlangsamen könnte.«

Ein weiteres Beispiel ist das Krebsmittel Taxol, das Bristol-Myers Squibb 1993 zu vermarkten begann. Die US-Regierung förderte die Entwicklung mit 484 Millionen Dollar und handelte mit Bristol-Myers Squibb eine Lizenzvereinbarung für die Vermarktung des Medikaments aus. Von 1993 bis 2003 nahm Bristol-Myers Squibb 9 Milliarden Dollar mit dem weltweiten Vertrieb von Taxol ein, aber die NIH erhielt gerade einmal 35 Millionen Dollar an Tantiemen.21

In Utah wurde unterdessen Beschwerde wegen Preistreiberei gegen Meds in Motion eingereicht. Die lokale Apotheke hatte dem Staat für 800.000 Dollar 20.000 Dosen eines experimentellen Malaria-Mittels gegen COVID-19 verkauft. Der Preis sei damit fast zehnmal so hoch wie das, was der Verbraucher bezahlen müsse, heißt es in der Beschwerde.

»Preistreiberei an sich ist schon schlimm genug, aber während einer Pandemie Preistreiberei mit einem Medikament zu betreiben, dessen Wirksamkeit noch nicht erwiesen ist, und das bei einem Geschäft, bei dem staatliche Gelder fließen – das geht einfach gar nicht«, sagte Chase Thomas von der Organisation Alliance for a Better Utah.22

Die Verquickung von Politik und Wirtschaft in einer Person: der ehemaliger Pharma-Manager und aktueller US-Gesundheitsminister Alex Azar – hier neben Melania Trump

Der Medikamentenhersteller Jaguar Health hat den Preis für sein Durchfallmittel Mytesi nahezu verdreifacht. Axios schreibt: »Die Preiserhöhung fällt mit Bemühungen des Unternehmens zusammen, einen größeren Kundenkreis für sein Mittel zu schaffen – speziell bei Patienten mit einer COVID-19-Diagnose.«23

Obwohl der Steuerzahler die Entwicklung von Medikamenten stark subventioniert, sperrt sich der Kongress, erneut Bestimmungen für Preisvorgaben in Kraft zu setzen und Amerikas Bürger so vor exorbitanten Arzneimittelpreisen zu schützen. Nicht einmal COVID-19 konnte bislang daran etwas ändern. Sirota schreibt:24

»Vergessen wir nicht, dass es niemand anderes als [US-Gesundheitsminister Alex] Azar war – ein ehemaliger Pharma-Manager –, der Ende Februar vor den Kongress trat und, ohne dabei eine Miene zu verziehen, über Coronavirus-Behandlungen sagte: »Wir möchten daran arbeiten, es bezahlbar zu machen, aber wir können diesen Preis nicht kontrollieren, denn wir wollen, dass der Privatsektor investiert.« Er sagt ›können nicht‹, aber was er eigentlich meint, ist ›wollen nicht‹.«

Dieser Artikel erschien erstmal am 19. Mai 2020 auf Mercola.com.

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