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Während Bill Gates und seine Stiftung immer präsenter werden – unlängst sogar durch einen Exklusivauftritt in der deutschen Tagesschau, wo er sein globales Impfprogramm zur Rettung der Welt vor dem Coronavirus ausführlich vorstellen durfte –, werden auch zunehmend kritische Stimmen laut. Keine Frage, der Mann polarisiert, und ein cleverer Geschäftsmann ist er ohnehin; aber wie wohltätig und philanthropisch sind das Ehepaar Bill und Melinda sowie ihre Stiftung wirklich?

Inside Bill’s Brain

Im Herbst 2019 erschien auf Netflix eine dreiteilige Dokumentation, die dem Publikum seltene Einblicke in das Innenleben eines der umstrittensten Geschäftsmänner der Geschichte versprach. Inside Bill’s Brain zeigt uns in drei Stunden Länge eine ungewöhnlich emotionale Seite von Bill Gates, während er den Tod seiner Mutter verarbeitet und den Tod des Microsoft-Mitgründers Paul Allen, seinem ehemals besten Freund.1

Netflix: Inside Bill’s Brain

In erster Linie bekräftigt der Film jedoch das Bild, das viele von uns bereits von Bill Gates hatten: ein ehrgeiziger Informatiker, eine unersättliche Intelligenzbestie und ein heroischer Philanthrop. Inside Bill’s Brain läuft in eine klassische Falle: Um den zweitreichsten Menschen der Welt zu verstehen, interviewt man Personen, die sich in seinem finanziellen Einflussbereich bewegen.

In der ersten Folge hebt Regisseur Davis Guggenheim Gates’ enormen Intellekt hervor, indem er mit Bernie Noe spricht, der als Gates’ Freund beschrieben wird.

»150 Seiten in der Stunde lesen zu können, das ist eine Gabe«, sagt Noe. »Ich würde sagen, 90 Prozent davon bleiben haften. Das ist schon außergewöhnlich.«

Was Guggenheim dem Publikum nicht erklärt, ist, dass Noe die Lakeside School2 leitet, eine Privateinrichtung, die von der Bill & Melinda Gates Foundation mit 80 Millionen Dollar gefördert wurde. Ebenfalls erwähnt der Filmemacher nicht, welch enormen Interessenkonflikt dies darstellt: Das Ehepaar Gates hat seine wohltätige Stiftung dazu genutzt, jene Privatschule zu bereichern, auf die seine eigenen Kinder gehen3 und die 35.000 Dollar pro Jahr und Schüler kostet4.

Die Schwachpunkte dieser Dokumentation fallen umso mehr ins Auge, bedenkt man den Zeitpunkt ihrer Veröffentlichung, denn kurz zuvor war bekannt geworden, dass sich Bill Gates viele Male mit dem verurteilten Sexualstraftäter Jeffrey Epstein getroffen hatte5, um über eine Zusammenarbeit bei wohltätigen Aktivitäten zu sprechen – Aktivitäten, durch die Epstein Millionen Dollar an Honoraren verdient hätte. Die Zusammenarbeit kam dann zwar nie zustande, aber diese Sache offenbart die Brisanz der moralischen Grauzone rund um das 50 Milliarden Dollar schwere karitative Unternehmen der Gates Foundation. Seit 2 Jahrzehnten ist die Stiftung in sehr vielen Bereichen tätig, musste sich während dieser Zeit aber erstaunlich wenig staatlicher Aufsicht oder öffentlicher Überprüfung stellen.

Während die Bemühungen seines philanthropischen Milliardärskollegen  Michael Bloomberg, sein Vermögen zu nutzen, um die Präsidentschaftswahl zu gewinnen, an der heftigen Medienkritik scheiterten, hat Gates bewiesen, dass es einen deutlich einfacheren Weg zur politischen Macht gibt, einen Weg, der es ungewählten Milliardären ermöglicht, die Politik auf eine Art und Weise zu prägen, bei der fast immer positive Schlagzeilen abfallen. Die Rede ist vom Wohlfahrtssektor.

Wohlfahrt mit reichen Nutznießern

2008 verkündete Gates, er werde sich von Microsoft zurückziehen, um sich auf seine philanthropische Arbeit zu konzentrieren.6 Damals skizzierte er seine Absicht, die Öffentlichkeit mit und durch die Privatwirtschaft mit Produkten und Technologien des Gemeinwohls zu versorgen – ganz so, wie Microsofts Computersoftware Horizonte eröffnet und wirtschaftliche Möglichkeiten geschaffen hatte. Seinen Ansatz bezeichnete Gates abwechselnd als »kreativen Kapitalismus« und »katalytische Philanthropie«, während er seine Stiftung so aufstellte, dass sie »alle Werkzeuge des Kapitalismus« dafür nutzen konnte, »das Versprechen der Philanthropie mit der Macht der Privatwirtschaft zu verknüpfen«.

Das Ergebnis ist eine neue Form der Wohlfahrt, bei der die Nutznießer, die am direktesten profitieren, nicht immer die Ärmsten auf dieser Welt sind, sondern die Reichsten, und bei der das Ziel nicht darin besteht, den Bedürftigen zu helfen, sondern den Reichen dabei zu helfen, den Bedürftigen zu helfen.

The Nation hat über 19.000 wohltätige Spenden untersucht, die die Gates Foundation während der vergangenen 2 Jahrzehnte vorgenommen hat, und ist dabei auf nahezu 2 Milliarden Dollar an steuerlich absetzbaren Spenden an Privatgesellschaften gestoßen. Zu den Unternehmen, die beispielsweise neue Medikamente entwickeln, die sanitären Zustände in Entwicklungsländern verbessern, Finanzprodukte für muslimische Verbraucher entwickeln und die frohe Kunde von dieser Arbeit in die Welt tragen, zählen einige der weltgrößten Konzerne, etwa GlaxoSmithKline, Unilever, IBM oder NBC Universal Media.

Die Gates Foundation gab sogar 2 Millionen Dollar an Participant Media für Werbeaktivitäten rund um Davis Guggenheims vorigen Dokumentarfilm Waiting for »Superman«. Der Film bewirbt eine der zentralen Anstrengungen der Stiftung, nämlich Charter Schools, also privat geführte öffentliche Schulen. Diese wohltätige Spende ist nur ein Bruchteil der 250 Millionen Dollar, die die Stiftung Medienunternehmen und anderen Gruppen zukommen ließ, um Einfluss auf die Berichterstattung zu nehmen.

»Das ist eine beispiellose Entwicklung … ich meine die Summen, die die Gates Foundation da an Unternehmen gibt. Das finde ich ehrlich gesagt erschütternd«, sagt Linsey McGoey, Soziologie-Professorin der Universität Essex und Autorin des Buchs No Such Thing as a Free Gift: The Gates Foundation and the Price of Philanthropy. »Diese Spenden haben zu einem der problematischsten Präzedenzfälle in der Geschichte der Stiftungen geführt, denn damit wurde Unternehmen Tür und Tor geöffnet, sich selbst als berechtigte Spendenempfänger anzusehen, und das in einer Zeit, in der die Firmengewinne so hoch sind wie nie zuvor.«

Englischer Buchtitel Linsey McGoey

McGoeys Forschung hat anekdotenhaft wohltätige Spenden der Gates Foundation an privatwirtschaftliche Unternehmen unter die Lupe genommen – so auch eine 19 Millionen Dollar schwere Spende an eine Mastercard-Tochter8 im Jahr 2014. Das Geld diente dazu, »die Nutzung digitaler Finanzprodukte unter den armen Erwachsenen in Kenia zu steigern«. Der Kreditkartenriese hatte zuvor bereits sein starkes Geschäftsinteresse daran bekundet, unter den 2,5 Milliarden Menschen ohne Bankkonto neue Kunden zu gewinnen, wie McGoey sagte. Wofür also brauchte es jetzt noch einen vermögenden Philanthropen, der dieses Vorhaben finanziell unterstützte? Und warum bekommen Bill und Melinda Gates Steuervergünstigungen für eine solche Spende?

Berechtigte Fragen, denen man ernsthaft nachgehen sollte. Die Mastercard-Spende scheint auch der Gates Foundation finanziell zugutegekommen zu sein, denn zum Zeitpunkt der Spende im November 2014 war die Stiftung über ihre Beteiligung an Warren Buffetts Investmentunternehmen Berkshire Hathaway in beträchtlichem Maß an Mastercard beteiligt. (Buffett selbst hat der Gates Foundation übrigens 30 Milliarden Dollar gespendet.)

The Nation stieß auf nahezu 250 Millionen Dollar an wohltätigten Spenden der Gates Foundation an Unternehmen, von denen die Stiftung Aktien und Anleihen besitzt: Merck, Novartis, GlaxoSmithKline, Vodafone, Sanofi, Ericsson, LG, Medtronic, Teva und zahlreiche Start-ups. Die Spenden gingen an Projekte wie die Entwicklung neuer Medikamente und Systeme zur Gesundheitsüberwachung oder waren für die Entwicklung mobiler Bankdienstleistungen bestimmt.

Eine Stiftung spendet an ein Unternehmen, von dem es Anteile hält und von dessen Wohlergehen es finanziell profitiert – das sieht nach einem offensichtlichen Interessenkonflikt aus, aber sieht man sich an, wie wenig Regeln der US-Kongress zur Beaufsichtigung privater Stiftungen festgelegt hat und wie lax das Finanzamt sie umsetzt, scheint man in der Bundesregierung ganz anderer Meinung zu sein.

Interessenkonflikt
Die Zeitschrift The Nation deckte auf, dass die Gates-Stiftung Hunderte Millionen Dollar an Unternehmen spendete, an denen sie selbst Aktien oder Anleihen hielt.
Quelle: The Nation

Auf detaillierte Fragen zu ihrer Arbeit mit dem Privatsektor reagierte die Gates Foundation nicht, ebenso wenig wollte sie beziffern, wie viel Geld sie gewinnorientiert arbeitenden Unternehmen gegeben hat. Die Stiftung erklärte nur: »Viele Spenden werden durch eine Mischung aus Non-Profit-Partnern und For-Profit-Partnern realisiert, was es schwierig macht, eine exakte Angabe zu treffen.«

Bei wirtschaftsfreundlichen Veranstaltungen bewirbt Bill Gates ganz offen die Arbeit seiner Stiftung mit Unternehmen. 2013 und 2014 posaunte er bei Reden am American Enterprise Institute und bei Microsoft hinaus, wie viele Menschenleben seine Stiftung doch durch »Partnerschaften mit pharmazeutischen Unternehmen« rette. In einer Rede hieß es 10 Millionen Menschen, in einer anderen 6 Millionen.

Aber die Stiftung geht nicht bloß Partnerschaften mit Firmen ein: Sie subventioniert deren Forschungskosten, eröffnet deren Produkten neue Märkte und finanziert sie auf Wegen, die größtenteils niemals öffentlich auf den Prüfstand gestellt wurden – dabei wird diese Arbeit vom amerikanischen Steuerzahler mitgetragen.

Das Wohlfahrtsparadox
Obwohl die Gates-Familie und die Gates-Stiftung Dutzende von Milliarden Dollar verschenkt haben, ist ihr Vermögen weiter gewachsen, was Fragen über den langfristigen Einfluss der milliardenschweren Philanthropie in der amerikanischen Politik aufwirft.

Immer wieder prahlt Bill Gates, er habe mehr Steuern9 gezahlt (nämlich 10 Milliarden Dollar) als sonst jemand. Ob das stimmt, sei dahingestellt – die Gates Foundation jedenfalls gibt seine Steuererklärung nicht frei oder liefert sonstige Informationen, die diese Behauptung erhärten. Andererseits kann es aber auch sein, dass er durch seine wohltätigen Gaben mehr Steuern als sonst jemand umgeht.

Nach eigenen Schätzungen wurde Bill und Melinda Gates für das Jahr 2018 eine 11-prozentige Steuerersparnis10 gewährt, was im Hinblick auf ihre 36 Milliarden Dollar an wohltätigen Spenden für den gleichen Zeitraum einer Steuerumgehung von etwa 4 Milliarden Dollar entspräche. Die Stiftung stellte keine Unterlagen zu diesen Zahlen bereit, aber unabhängige Einschätzungen von Steuerexperten wie Ray Madoff, Jura-Professor am Boston College, besagen, dass bei Multimilliardären die Steuerersparnis in der Größenordnung von 40 Prozent liegt (das wären bei Bill Gates dann 14 Milliarden Dollar), berücksichtigt man die Steuervorteile, die Wohltätigkeit den Superreichen bietet. Sie können es auf diese Weise vermeiden, Kapitalertragssteuern zu bezahlen (normalerweise 15 Prozent) und Erbschaftssteuern (40 Prozent auf alles über 11,58 Millionen Dollar, im Fall von Bill Gates also eine ganze Menge).

Wie viele andere Steuerexperten betont Madoff, dass diese milliardenschweren Steuerersparnisse als öffentliche Subventionsgelder anzusehen sind – als Geld, das ansonsten dem US-Finanzministerium (IRS) zugekommen wäre, das damit Brücken gebaut, medizinische Forschung bezahlt oder vielleicht sogar die Finanzierungslücke des IRS geschlossen hätte (die dazu führt, dass weniger Milliardäre geprüft werden11). Wenn Bill und Melinda Gates nicht ihre volle Steuerlast bezahlen, dann muss die Öffentlichkeit für den Rest aufkommen oder sich schlicht mit einer Welt abfinden, in der der Staat immer weniger tut (wenn es um Bildung, Impfung und Forschung geht), superreiche Wohltäter dafür aber mehr und mehr.

»Ich glaube, viele Menschen werfen durcheinander, was Reiche mit ihrem Geld anstellen und was sie mit unserem Geld anstellen. Das ist eines der großen Probleme bei dieser Debatte«, so Madoff. »Die Leute sagen: Die Reichen können doch ihr Geld ausgeben, wie sie wollen. Aber wenn sie deutliche Steuervergünstigungen erhalten, dann ist es auch unser Geld. Deshalb brauchen wir Regeln, die vorgeben, wie sie unser Geld ausgeben.«

Big Philanthropy verfügt selbstverständlich über Lobbyisten, die Sturm laufen gegen derartige Regeln. Der Philanthropy Roundtable tritt ein »für das Recht auf Geben« der reichsten Amerikaner, und er kämpft nach eigener Aussage »gegen den wachsenden Druck einiger Amtsträger und Interessenverbände, die private Philanthropie einheitlicheren Standards und strengerer staatlicher Regulierung unterwerfen wollen«.

Die gemeinnützige Organisation erhält Mittel von einflussreichen rechtsgerichteten Milliardären12, unter anderem Hunderttausende Dollar aus der Privatstiftung von Charles Koch. Auch die Gates Foundation ist mit beträchtlichen Summen dabei: Zwischen 2005 und 2017 gingen neun Spenden über insgesamt 2,5 Millionen Dollar ein, die größtenteils dafür gedacht waren, allgemeine Betriebskosten zu decken. Ein Sprecher der Stiftung erklärte, diese Spenden zielten darauf ab, »Stimmen zu mobilisieren, die für eine Politik werben, die auch weiterhin wohltätige Spenden ermöglicht«.

Wachsendes Portfolio
Die Stiftung der Gates Foundation hat in den letzten 5 Jahren mehr Einkommen generiert als gespendet

Ab einem gewissen Punkt scheint der Philanthropy Roundtable in erster Linie aber eher den privaten Interessen von Milliardären wie den Gates oder Koch zu dienen, die Wohltätigkeit dazu nutzen, Einfluss auf die Politik zu nehmen, und zwar ohne größere Kontrollen und stark von der Allgemeinheit subventioniert. Es ist nicht ersichtlich, wie die Arbeit des Philanthropy Roundtable zum Auftrag der Gates Foundation beiträgt, »allen Menschen dabei zu helfen, ein gesundes, produktives Leben zu leben« und »die Ärmsten der Gesellschaft dahingehend zu ermächtigen, dass sie ihr Leben verändern können«.

Einerseits gibt es keine glaubwürdigen Argumente für die Behauptung, Bill und Melinda Gates würden vor allem deshalb wohltätig arbeiten, weil sie sich bereichern oder das Vermögen ihrer Stiftung mehren wollen. Doch andererseits lässt sich nur schwer über die Fälle hinwegsehen, bei denen ihre wohltätigen Aktivitäten vorrangig privaten Interessen zu dienen scheinen, darunter auch ihren eigenen – etwa wenn sie Fördermittel an Schulen geben, auf die ihre Kinder gehen, an Unternehmen, an denen ihre Stiftung beteiligt ist, oder an Interessenvertretungen, die wohlhabende Amerikaner verteidigen. Und wenn sie gleichzeitig Steuern in Milliardenhöhe sparen.

Die Philanthropie hat Bill Gates zudem einen PR-Coup beschert und sein Bild in der Öffentlichkeit radikal verändert – statt zu den unerbittlichsten Konzernlenkern zählt er nun zu den am meisten bewunderten Menschen der Welt. Und sein Modell aus Wohlfahrt, Einfluss und Absolution dient einer neuen Generation von umstrittenen Technologie-Milliardären wie Mark Zuckerberg und Jeff Bezos als Inspiration. Auch sie haben begonnen, ihre Milliarden wegzugeben, und gelegentlich arbeiten sie dabei direkt mit Gates zusammen13.

Schon 2008 zählte Gates zu den reichsten Menschen auf der Welt, aber er war auch ein angeschlagener Milliardär, der seine Wunden leckte. Denn nach einigen juristischen Grabenkämpfen rund um Microsofts monopolistisches Geschäftsgebaren, das ihn so außergewöhnlich reich gemacht hatte, musste Microsoft am Ende Milliarden Dollar an Bußgeldern und außergerichtlichen Einigungen zahlen.

Auf wiederholte Bitten um ein Interview reagierte Gates nicht, aber in einem Gespräch mit dem Wall Street Journal14 ging er noch einmal auf die rechtlichen Streitigkeiten mit den Kartellbehörden ein. Er sagte: »Ich kann Ihnen noch immer erklären, warum die Regierung völlig falsch lag, aber das ist mittlerweile alles Schnee von gestern. Für mich persönlich beschleunigte der Fall den Umstieg in die nächste Phase um 2 bis 5 Jahre, dass ich nämlich den Schwerpunkt auf die Stiftung verlagerte.«

Für Gates ist Microsoft also offenbar ein Opfer übereifriger Kartellwächter, was vielleicht den Geist des Laisser-faire erklärt, der seine wohltätige Arbeit durchzieht. Seine Stiftung hat Gruppen Geld gegeben, die sich für industriefreundliche Regierungspolitik und Wettbewerbsregulierung einsetzen, darunter die Drug Information Association (gesteuert von Big Pharma) und das International Life Sciences Institute (finanziert von Big Agriculture). Er hat gemeinnützige Denkfabriken und Interessengruppen gefördert, die den Einfluss des Staats beschneiden wollen oder dafür eintreten, dass der Staat den Geschäftsinteressen hilft. Dabei handelt es sich um Organisationen wie das American Enterprise Institute (6,8 Millionen Dollar), die American Farm Bureau Foundation (300.000 Dollar), den American Legislative Exchange Council (220.000 Dollar) und Organisationen aus dem Umfeld der amerikanischen Handelskammer (15,5 Millionen Dollar).

Zwischen 2011 und 2014 gab die Gates Foundation rund 100 Millionen Dollar an InBloom, eine Initiative in Sachen Bildungstechnologie, die an Problemen mit dem Datenschutz und Kontroversen um das Sammeln von persönlichen Daten und Informationen über die Studierenden zerbrach. InBloom zeigt laut Bildungsprofessorin Diane Ravitch von der Universität New York, wie Gates »daran arbeitet, Technologie ins Klassenzimmer zu drücken und Lehrkräfte durch Computer zu ersetzen«.
»Das wirkt sich auf die Umsätze von Microsoft aus«, merkt Ravitch an. »Allerdings habe ich dieses Argument nie angeführt … [Die Stiftung] ist nicht darauf aus, mit diesem Geschäft Geld zu verdienen. Sie hat ein ideologisches Interesse an freien Märkten.«

Bildung ist nicht der einzige Bereich, in dem sich Gates’ ideologische Interessen mit seinen finanziellen Interessen überschneiden. Microsofts geschäftlicher Erfolg hängt stark vom Patentschutz für seine Software ab, und die Gates Foundation ist beständig und ausdrücklich für den Schutz geistigen Eigentums eingetreten. Diese Bemühung erstreckt sich auch auf Patente der pharmazeutischen Unternehmen, mit denen die Stiftung eng zusammenarbeitet. Ein solcher Patentschutz ist lautstarker Kritik ausgesetzt. Der Vorwurf: Er mache – vor allem in den Entwicklungsländern – lebensrettende Medikamente unbezahlbar teuer.

»Er nutzt seine philanthropische Arbeit dafür, bei pharmazeutischen Arzneimitteln eine patentfreundliche Agenda voranzutreiben, und zwar sogar in wirklich armen Ländern«, sagt der langjährige Gates-Kritiker James Love, der die gemeinnützige Organisation Knowledge Ecology International leitet. »Gates ist sozusagen der rechte Flügel der Bewegung für öffentliche Gesundheit. Er versucht stets, die Dinge in Richtung Unternehmen zu drücken. Er ist ein großer Verteidiger der Pharmakonzerne. Er untergräbt eine ganze Reihe Dinge, die wirklich notwendig sind, um Medikamente bezahlbar für wirklich arme Menschen zu machen. Es ist doch seltsam: Er gibt so viel Geld für den Kampf gegen die Armut, dennoch ist bei vielen Reformen er selbst das größte Hindernis.«

Ein Wirrwarr von Interessen, Firmen und Stiftungen

Die weit verzweigte Zusammenarbeit der Gates Foundation mit gewinnorientierten Unternehmen hat zu einer Vielzahl von Interessenkonflikten geführt, bei denen der Eindruck entstehen kann, die drei Treuhänder (Bill und Melinda Gates sowie Warren Buffett) oder deren Unternehmen würden von den wohltätigen Aktivitäten der Organisation profitieren.

Buffetts Investmentfirma Berkshire Hathaway hat Milliarden in Unternehmen investiert, denen die Stiftung im Laufe der Jahre geholfen hat, sei es Mastercard oder Coca-Cola. Bill Gates hat lange Zeit in Berkshire Hathaways Board of Directors gesessen und erst vergangene Woche seinen Abschied verkündet. Die Anteile, die er und seine Stiftung an Berkshire Hathaway halten, sind Milliarden Dollar wert.

Die Arbeit der Stiftung scheint sich zudem mit Microsofts Aktivitäten zu überlappen. Gates hat in den vergangenen Jahren ein Drittel seiner Arbeitswoche auf die Belange von Microsoft verwendet. (Letzte Woche kündigte er an, sich aus dem Vorstand des Unternehmens zurückzuziehen, aber weiterhin als Technologieberater zur Verfügung zu stehen.) Bei einem 200 Millionen Dollar schweren Programm, mit dem die Gates Foundation öffentliche Bibliotheken fördern will, spendete Microsoft die Software, was die Kritik15 auslöste, das Unternehmen wolle nur »die Saat für Microsoft-Produkte ausbringen« und künftige Einnahmequellen eröffnen. Microsoft fördert Studien an Moskitos, die dazu dienen sollen, Krankheitsausbrüche besser vorherzusehen. Dabei arbeitet das Unternehmen mit denselben Forschern, mit denen auch die Stiftung arbeitet. Bei beiden Projekten werden ausgeklügelte Roboter und Fallen entwickelt, mit denen Stechmücken gesammelt und analysiert werden.

»Die Stiftung und Microsoft sind eigenständige Einheiten, unsere Arbeit steht in keinerlei Zusammenhang mit Microsoft«, sagte ein Sprecher der Gates Foundation.

2002 meldete das Wall Street Journal, Gates und die Gates Foundation würden in Cox Communications investieren, während Microsoft gerade mit Cox über eine Reihe geschäftlicher Möglichkeiten spreche. Steuerexperten warfen Fragen zum Thema Insichgeschäfte auf und verwiesen darauf, dass Stiftungen ihre Steuerbefreiung verlieren könnten, sollte sich herausstellen, dass wohltätige Arbeiten zur persönlichen Bereicherung genutzt würden. Die amerikanische Finanzbehörde IRS wollte sich nicht dazu äußern, ob sie Ermittlungen aufgenommen hat, sondern verwies darauf, dass sie per Bundesgesetz nicht über einzelne Steuerzahler oder Organisationen sprechen dürfe.

Gates ist bekannt dafür, mit seinen persönlichen Investitionen sehr hinter dem Berg zu halten16, was es schwierig macht, einzuschätzen, ob und inwieweit er von den Aktivitäten seiner Stiftung finanziell profitiert.

»Es fällt schwer, eine Linie zu ziehen zwischen a) Microsoft, b) seinem Privatvermögen und seinen eigenen Investitionen sowie c) der Stiftung«, sagt der Verbraucherschützer Ralph Nader, der während der 1990er-Jahre zu den heftigsten Kritikern Microsofts gehörte. »Die Medien haben all das nur sehr unzureichend beleuchtet.«

Die möglicherweise deutlichsten Interessenkonflikte der Stiftung betreffen jene Spenden, die sie gewinnorientiert arbeitenden Unternehmen gegeben hat, an denen sie selbst finanziell beteiligt ist – große Konzerne wie Merck und Unilever. Ein Sprecher der Stiftung sagte, man versuche, derartige finanzielle Konflikte zu vermeiden, aber das sei schwierig, weil das Anlagegeschäft der Stiftung durch eine Firewall vom wohltätigen Bereich separiert ist, um die Aktivitäten strikt getrennt zu halten. Bill und Melinda Gates allerdings sind Treuhänder beider Bereiche, was es schwierig macht, eine klare Trennlinie zu ziehen.

Zudem hat die Gates Foundation in einigen Bereichen auch ganz ausdrücklich Investitionen und Wohltätiges miteinander verknüpft. Gates‘ »strategischer Investmentfonds«17 dient der Stiftung zufolge dazu, philanthropische Ziele voranzutreiben, und nicht dazu, Kapitalerträge zu erwirtschaften. Teil dieses Investmentfonds ist eine 7 Millionen Dollar schwere Beteiligung am Start-up-Unternehmen AgBiome, zu dessen Investoren auch die Agrochemie-Konzerne Monsanto und Syngenta zählen. Die Stiftung spendete dem Unternehmen zudem 20 Millionen Dollar für die Aufgabe, für afrikanische Bauern Unkrautvernichtungsmittel zu entwickeln. Ein weiteres Beispiel: Die Stiftung ist mit 50 Millionen Dollar an Intarcia beteiligt und mit 8 Millionen Dollar an Just Biotherapeutics, die aber auch 25 Millionen beziehungsweise 32 Millionen Dollar an Spenden erhielten für ihre Forschung in den Bereichen HIV und Malaria. Zwischenzeitlich hielt die Stiftung 48 Prozent der Anteile am HIV-Diagnostikunternehmen Zyomyx, dem man zuvor Millionen Dollar gespendet hatte.

Nach diesen offensichtlichen Interessenkonflikten befragt, erwidert die Foundation: »Spenden und Investitionen sind schlicht zwei Werkzeuge, die die Stiftung wie je nach Bedarf nutzt, um ihre wohltätigen Ziele zu verfolgen.«

Müssen Spenden gedeckelt werden?

1994 gründete Gates seine Stiftung und übertrug die Verantwortung dafür seinem Vater, Bill Gates sen. Dieser, ein bekannter Anwalt aus Seattle, war Bürgerrechtler und kämpfte gegen Einkommensungleichheit.

Gates Senior arbeitete mit Chuck Collins zusammen, der als ein Erbe von Oscar Mayer zu beträchtlichem Wohlstand gekommen war, einen Großteil davon aber noch vor seinem 30. Geburtstag weggab. Gemeinsam halfen sie Ende der 1990er- und Anfang der 2000er-Jahre dabei, eine landesweit erfolgreiche Kampagne ins Leben zu rufen, bei der es um den Erhalt der Erbschaftssteuer ging.

Gates sen. ist inzwischen an Alzheimer erkrankt und wurde nicht um ein Interview gebeten. Interviews, die er damals gab, lassen den Schluss zu, dass seine Arbeit nicht darauf abzielte, Steuereinnahmen zu generieren, sondern zu Philanthropie anzuregen.

»Wer reich ist, hat die freie Wahl: Bezahlt er die [Erbschafts-]Steuer oder gibt er sein Geld seiner Universität, seiner Kirche oder seiner Stiftung?«, sagte er dem Journalisten Bill Moyers.18

Wenn die Reichen ihr Vermögen weggeben, reduzieren sie dadurch den Teil, bei dem die Erbschaftssteuer greift. Doch eine Regelung, bei der die reichsten Amerikaner frei entscheiden dürfen, ob sie Steuern zahlen wollen oder ihr Geld für wohltätige Zwecke spenden – unter anderem auch an Organisationen, die Einfluss auf die Regierungspolitik nehmen –, klingt wie ein Musterbeispiel für irrational vergebene Privilegien. In vielerlei Hinsicht arbeitet das Steuersystem genau auf diese Weise für die Superreichen.

»Je reicher man ist, desto mehr Auswahl hat man zwischen diesen beiden Möglichkeiten«, sagt Collins, der heute bei der gemeinnützigen Organisation Institute for Policy Studies am Thema Einkommensungleichheit arbeitet.

Für einige milliardenschwere Philanthropen ist es weniger eine Wahl als vielmehr ein Anspruch. Buffett und Gates haben Hunderte Millionäre und Milliardäre dazu gebracht, die Kampagne »Giving Pledge« zu unterzeichnen, womit sie versprachen, den Großteil ihres Vermögens zu spenden. Einige Unterzeichner19 geben dies ausdrücklich als Alternative zum Zahlen von Steuern an.

Collins sagt, Gates sen. habe eine nuancierte Haltung vertreten und sei beispielsweise dafür gewesen, die Steuervorteile der Milliardäre zu beschneiden:

»Er sagte zu mir … es sei ein Problem, das sein Sohn sein Geld – damals waren es um die 80 Milliarden Dollar – der Stiftung übertrage und niemals auf einen Teil dieses Vermögens Steuern werde zahlen müssen«, erinnert sich Collins. »Seiner Ansicht nach sollte das Vermögen, das man zeitlebens steuervergünstigend spenden könne, gedeckelt werden.«

Während Collins und der Gates sen. den Kongress unter Druck setzten, dafür zu sorgen, dass die Vermögenden ihren gerechten Anteil an Steuern zahlen, leitete Gates jun. ein multinationales Unternehmen, das aggressiv Steuerschlupflöcher ausnutzte. Laut King County, zu dem auch Microsofts Stammsitz Seattle gehört, hat Microsoft bislang 402 Einsprüche gegen seine Grundsteuer eingelegt. Und 2012 untersuchte der amerikanische Senat20 Microsofts aggressive Nutzung von Offshore-Tochterunternehmen, dank derer sich der Konzern milliardenschwere Steuerzahlungen ersparte. Außerdem hat Microsoft der Seattle Times zufolge jahrzehntelang lukrative und steuersparende Hürden rund um seine Unternehmenskredite errichtet.

Und dennoch hat Bill Gates es geschafft, zu einem führenden – und vermeintlich progressiven – Fachmann für Steuerpolitik zu werden. Jedes Jahr, wenn die Amerikaner ihre Steuererklärungen abgeben müssen, tauchen er und Buffett in den Medien auf und beklagen, wie wenig Steuern sie zahlen, dann fordern sie den Kongress auf, die Steuern für Reiche anzuheben. Manchmal vertreten sie dabei Schritte, die ihr Vermögen nicht berühren würden, etwa wenn sie sich für die Nachlasssteuer starkmachen, der sie durch wohltätige Spenden vermutlich ohnehin entgehen.

Gates und eine wachsende Zahl an Milliardären haben diese öffentliche Plattform zudem dafür genutzt, Vorschläge für eine Vermögenssteuer abzulehnen, wie sie sowohl Elizabeth Warren als auch Bernie Sanders propagieren. Eine Vermögenssteuer würde jährlich auf einen gewissen Prozentsatz des Vermögens eines Milliardärs erhoben und die Anhäufung von Wohlstand begrenzen – genauso wie möglicherweise die Menge an Geld, die in philanthropische Aktivitäten fließt. Gates argumentiert, dass wohltätige Arbeit die Einkommensungleichheit reduziert.

»Gut angewandte Philanthropie erschafft nicht nur direkten Nutzen für die Gesellschaft, sie reduziert auch dynastischen Wohlstand«, schrieb Gates in seinem Blog GatesNotes.21

Gehören Gesundheit und Bildung in private Hände?

Die Gates Foundation hat einiges an Kritik für ihre Spendenpolitik einstecken müssen, unter anderem für Investitionen in Gefängnisse, Fast-Food-Unternehmen, die Rüstungsindustrie, Pharmaunternehmen und fossile Brennstoffe. Das stehe im Widerspruch zu dem selbst auferlegten Auftrag, die Gesundheit und das Wohlergehen zu verbessern, so die Vorwürfe. Gates reagierte darauf mit Schwarz-Weiß-Klischees und bezeichnete eine Veräußerung seiner Anteile als »falsche Lösung«, die »keinerlei« Auswirkungen haben werde.

Die Investitionen der Gates Foundation machen einen nicht unerheblichen Anteil ihrer wohltätigen Anstrengungen aus. Die 50 Milliarden Dollar Stiftungsvermögen haben während der vergangenen 5 Jahre 28,5 Milliarden Dollar an Kapitalerträgen eingebracht. Während desselben Zeitraums hat die Stiftung nur 23,5 Milliarden Dollar gespendet.

2007 erschien in der Los Angeles Times22 eine der wenigen investigativen Artikelserien, die jemals über die Stiftung veröffentlicht wurden. Die Zeitung schilderte, dass die Stiftung an Hypothekenbanken beteiligt war, die Ramschkredite (»Subprime«) vergab, und an gewinnorientiert arbeitenden Krankenhäusern, die unnötige chirurgische Eingriffe durchführten. Die Times verwies zudem darauf, dass die Stiftung in Schokoladenhersteller investiert habe, deren Kakaolieferanten23 Kinderarbeit nutzten.

Man äußere sich nicht zu speziellen Investmententscheidungen oder Beteiligungen, sagte der Sprecher der Gates Foundation und erklärte, »einziger Zweck« des Stiftungskapitals sei es, Einkommen für die Erfüllung der Stiftungsmission zu generieren und das auch auf lange Sicht zu gewährleisten.

Aktuell hält die Gates Foundation eine Beteiligung an Berkshire Hathaway im Wert von 11,5 Milliarden Dollar. Berkshire Hathaway wiederum besitzt eine 32 Millionen Dollar schwere Beteiligung am Schokoladenhersteller Mondelēz, bei dem die Vorwürfe wegen Kinderarbeit laut wurden. Die Stiftung spendete 32,5 Millionen Dollar an die World Cocoa Foundation, einen Branchenverband, dem auch Mondelēz angehört. Das Geld ist für ein Projekt gedacht, das die Lebensumstände der Bauern verbessern soll. Mit Kinderarbeit scheint es auf den ersten Blick nichts zu tun zu haben.

Im Zuge der Steuerreform von 1969 beschloss die US-Regierung besondere Regeln, die den Einfluss beschneiden sollten, den wohlhabende Philanthropen durch private Stiftungen ausüben können. Auf dem Papier sorgten diese Bestimmungen dafür, dass Stiftungen zum Nutzen der Allgemeinheit arbeiten und keine Privatinteressen verfolgen.

In der Praxis hingegen erlauben die Regeln wohlhabenden Gönnern wie Bill und Melinda Gates enormen Spielraum bei ihren philanthropischen Aktivitäten. Wenn es beispielsweise um Insichgeschäfte geht, untersagt das IRS nur die drastischsten Interessenkonflikte, etwa dass Stiftungen an Unternehmen spenden, die von Beiratsmitgliedern kontrolliert werden. Die IRS-Bestimmungen erlauben auch wohltätige Spenden an gewinnorientierte Unternehmen, solange die Stiftung schriftlich belegen kann, dass das Geld dafür dient, die wohltätigen Aufgaben voranzutreiben.

Die Gates Foundation sieht marktbasierte Lösungen und die Innovationskraft der Privatwirtschaft als öffentliches Gut an, insofern können die Grenzen zwischen Wohltätigkeit und Geschäft durchaus verschwimmen. Die Soziologin Linsey McGoey sagt: »Sie haben ihre wohltätige Mission dermaßen breit und vage formuliert, dass buchstäblich jedes gewinnorientiert arbeitende Unternehmen das allgemeine Ziel der Gates Foundation erfüllen würde, das gesellschaftliche und soziale Wohlergehen zu steigern.«

Budgetkürzungen und ein begrenztes Mandat, bei gemeinnützigen Organisationen wie der Gates Foundation Steuern einzutreiben, schränken die Möglichkeiten des IRS ein, private Stiftungen zu überwachen. Größtenteils sind die Stiftungen steuerbefreit.

»Angenommen, Sie sind der Chef des IRS, man hat Ihnen begrenzte Mittel zum Betreiben Ihrer Behörde zur Verfügung gestellt und Sie haben dafür zu sorgen, dass das US-Finanzministerium Geld in der Kasse hat– dann werden Sie steuerbefreite Organisationen großzügig durchwinken«, sagt Marc Owens, der früher beim IRS die Abteilung für steuerbefreite Organisationen geleitet hat. »Ein einziger IRS-Agent, der sich Restaurants in Washington oder New York City ansieht, wird sehr viel Geld generieren. … Ein Agent, der sich private Stiftungen ansieht, wird möglicherweise sein Gehalt wieder hereinholen, aber keine nennenswerten Beträge einbringen.«

Laut IRS-Statistiken gibt es rund 100.000 private Stiftungen in den USA und sie verwalten insgesamt ein Vermögen von knapp 1.000 Milliarden Dollar. Doch im Allgemeinen beträgt der Steuersatz bei Stiftungen gerade einmal 1 oder 2 Prozent, und das IRS meldet für 2018, sie habe insgesamt 263 Stiftungen geprüft.

Die Generalstaatsanwälte der einzelnen Bundesstaaten könnten sich näher mit privaten Stiftungen befassen. Das tat beispielsweise die Generalstaatsanwaltschaft von New York24 2018, als sie Donald Trumps private Stiftung untersuchte. Diese wurde dann angesichts des Vorwurfs, er habe sich durch die Stiftung persönlich bereichert, dicht gemacht. Die Gates Foundation hat ihren Sitz in Seattle, sodass der Bundesstaat Washington zuständig ist, aber die dortige Generalstaatsanwaltschaft erklärt, vor 2014 – also ein Jahrzehnt nachdem die Gates Foundation zur weltgrößten Stiftung aufgestiegen war – habe man kein Vollzeitpersonal gehabt, das sich mit wohltätigen Aktivitäten befasste. Sie wollte sich nicht zu der Frage äußern, ob sie jemals gegen die Gates Foundation ermittelt habe.

36 Milliarden Dollar hat Bill Gates bislang weggegeben. Diese gewaltige Spendensumme hat einen blendenden Heiligenschein rund um seine philanthropische Arbeit erschaffen. Viele derjenigen Einrichtungen, die am besten dafür geeignet wären, einen kritischen Blick auf Gates‘ Stiftung zu werfen, werden inzwischen von Gates finanziert, beispielsweise akademische Denkfabriken, die völlig kritikfrei über seine wohltätigen Bemühungen berichten, oder Nachrichtenunternehmen, die Gates für seine Spenden loben und kein Interesse daran haben, den Einfluss der Stiftung kritisch zu beleuchten.

Ohne kritischen Überprüfungen ausgesetzt zu sein, hat diese private Stiftung weitreichenden Einfluss auf die Politik genommen. Sie hat Bundesstaaten privat geführte Charter Schools25 aufgezwungen, obwohl die dortigen Gerichte und Wähler diese Form von Privatschule abgelehnt hatten. Sie hat mit zweckgebundenen Spenden an die Weltgesundheitsorganisation Einfluss auf die globale Gesundheitspolitik genommen und sie hat Merck und Bayer finanziell beim Markteintritt in Entwicklungsländer unterstützt. Gates, der regelmäßig in der Forbes-Liste der mächtigsten Menschen der Welt geführt wird, hat bewiesen, dass sich mit Philanthropie politischer Einfluss kaufen lässt.

Heute ist Gates’ Privatvermögen mit rund 100 Milliarden Dollar größer denn je und die Tatsache, dass Gates gerade erst 64 Jahre alt ist, könnte bedeuten, dass ihm noch Jahrzehnte bleiben, sein Geld zu spenden, einen Nobelpreis einzusammeln und – wer weiß? – eine Präsidentschaftskandidatur zu erringen. Dasselbe ließe sich über die 55-jährige Melinda Gates sagen, die kürzlich mit einer öffentlichkeitswirksamen Vorlesetour einen großen Schritt ins Rampenlicht tat.

Genauso ist es aber auch denkbar, dass für Big Philanthropy, Bill Gates und die wachsende Zahl von Milliardären, die in seinen Spuren wohltätig aktiv werden, der Tag der Abrechnung naht.

Ökonomen, Politiker und Journalisten werfen weiterhin ein Schlaglicht auf Milliardäre, die nicht ihren fairen Anteil an Steuern zahlen, dafür aber durch Wahlkampfspenden und Lobbyarbeit Einfluss auf die Politik nehmen. Wohltätige Arbeit wird nur selten als steuersparendes Werkzeug der Einflussnahme erachtet, aber wenn das Thema Einkommensungleichheit weiterhin an Aufmerksamkeit gewinnt, wird es nicht ausbleiben, dass sich Big Philanthropy einigen unangenehmen Fragen wird stellen müssen. Besitzen die milliardenschweren Philanthropen zu viel Macht, ohne sich dafür gebührend öffentlich rechtfertigen oder ihre Aktivitäten offenlegen zu müssen? Sollten die reichsten Amerikaner eine Carte blanche haben und ihr Vermögen ganz so ausgeben dürfen, wie es ihnen beliebt?

Dass man die Möglichkeiten und den Wunsch von Multimilliardären beschneidet, ihr Vermögen nach Belieben wegzugeben, mag zunächst sehr radikal erscheinen, aber in der Politik finden sich historische Präzedenzfälle. Vor 100 Jahren bat der Ölbaron John D. Rockefeller den Kongress um Erlaubnis, eine private Stiftung ins Leben zu rufen. Sein Antrag wurde als antidemokratischer Griff nach der Macht abgeschmettert. Theodore Roosevelt erklärte damals: »Kein Maß an Wohltätigkeit beim Ausgeben derartiger Vermögen kann im Geringsten das Fehlverhalten beim Anhäufen dieser Vermögen kompensieren.«

Dieser Artikel erschien erstmal am 17. März 2020 auf The Nation.

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Babyflaschen setzen Mikroplastik frei

Babyflaschen aus Polypropylen sind weit verbreitet. Doch vor allem beim Erhitzen wird enorm viel Mikroplastik freigesetzt. Forscher haben jetzt festgestellt, dass durchschnittlich 16,2 Millionen Mikrokunststoffpartikeln pro Liter in die Nahrung abgegeben werden.

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Aktuelle Studien zu SARS-CoV-2: Die Mehrheit der Menschheit ist bereits immun

Möglicherweise sind wir bereits näher an der Schwelle zur Herdenimmunität gegen SARS-CoV-2 als gedacht. Mehrere aktuelle Studien legen dies nahe. Erfahren Sie hier, warum Resistenz auf T-Zell-Ebene das ist, was wirklich zählt, wenn es um COVID-19 geht und warum es keineswegs notwendig ist, alle Menschen zu impfen.

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Die Great Barrington Declaration und die fulminante Kehrtwende der WHO in Sachen Lockdown

Die kritischen Stimmen werden lauter: Internationale Epidemiologen für Infektionskrankheiten und Wissenschaftler im Bereich des öffentlichen Gesundheitswesens haben eine gemeinsame Erklärung abgegeben: die Great Barrington Declaration. Inzwischen haben diese Petition mehr als 7.500 Wissenschaftler, 17.500 Mediziner sowie 270.000 weitere Bürger unterzeichnet. Und offenbar vollzieht auch die WHO eine fulminante Kehrtwende in Sachen Lockdown.

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