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Vor über 30 Jahren stellten Wissenschaftler fest, dass mit Mykotoxinen kontaminiertes Getreide bei jungen weiblichen Schweinen die sexuelle Entwicklung beeinflusste, indem es die Östrogenspiegel störte und zu einer vorzeitigen Pubertät führte. Neuere Ergebnisse der Humanforschung aus den USA zeigen, dass die Verseuchung unserer Nahrungsmittel mit Mykotoxinen auch die sexuelle Entwicklung junger Mädchen negativ beeinflusst.
Getreide galt einst als Grundlage der vom amerikanischen Landwirtschaftsministerium empfohlenen Ernährungspyramide (und ist noch immer ein wichtiger Bestandteil des inzwischen verwendeten Ernährungstellers). Nichtsdestotrotz ist Getreide in letzter Zeit zunehmend in die Kritik geraten weil der Mensch evolutionsbedingt angeblich nicht für eine Ernährung mit Getreide geeignet ist (deshalb auch der Trend zu Paläo- und ähnlichen Ernährungsformen), weil Biotech- und Agrarkonzerne Getreide für ihre Zwecke verfremden (siehe die Aktivitäten wie beispielsweise »Frankenmais« von Monsanto/Bayer) und weil Getreide im Körper in »Zucker« umgewandelt wird.

Die Liste lässt sich beliebig fortsetzen. Aber wir haben es möglicherweise noch mit einem sehr viel älteren Problem zu tun, das sämtliche Getreidesorten betrifft, egal ob bio oder konventionell.1 Dieses Problem produziert Mutter Natur selbst, und nennt sich Mykotoxine.
Was sind Mykotoxine?
Mykotoxine sind sekundäre Stoffwechselprodukte, die von Schimmelpilzen produziert werden. Wer Getreide isst oder Produkte von Tieren, die mit Getreide gefüttert wurden, ist mit hoher Wahrscheinlichkeit bereits mit Mykotoxinen in Kontakt gekommen, denn bis zu ein Viertel der weltweiten Nahrungsmittel- und Tierfutterproduktion ist von Schimmelpilzen befallen und mit Mykotoxinen kontaminiert.2
Mit Mykotoxinen verunreinigte Nahrungsmittel können sich akut negativ auf die Gesundheit auswirken, bis hin zu lebensbedrohlichen Folgen. Im April 2004 kam es durch einen mit Aflatoxin (Anmerkung d. Red.: natürlich vorkommende Mykotoxine) kontaminierten Mais in Kenia zu einem Ausbruch von Aflatoxikose. 317 Menschen erkrankten, 125 starben.3 Als Maisproben auf ihren Aflatoxin-Gehalt untersucht wurden, wiesen 55 Prozent der Maisprodukte erhöhte Werte auf. In Kenia sind 20 Teile pro Milliarde (ppb, parts per billion bzw. n, Nano), also ein Milliardstel, erlaubt, bei den Proben wurden Werte zwischen 100 n (35 Prozent) bis hin zu 1.000 n (7 Prozent) gemessen.
Es ist erstaunlich, dass bereits diese extrem geringen Konzentrationen tödliche Folgen haben können, aber nur weil sich bei Ihnen keine akuten Anzeichen und Symptome eines Mykotoxin-Befalls zeigen, heißt das nicht zwingend, dass Sie nicht betroffen sind. Bereits viel geringere und schwieriger nachweisbare Konzentrationen diverser Mykotoxine können sich stark auf die Hormonfunktion auswirken und subklinisch zu vielen chronischen degenerativen Krankheiten beitragen.
Mykotoxine als hormonelle Störfaktoren
Das Magazin The Science of Total Environment veröffentlichte eine bahnbrechende Studie, wonach bei 78,5 Prozent der untersuchten Mädchen aus New Jersey im Urin Zearalenon (ZEA) nachgewiesen werden konnte. Dieses Mykotoxin ist ein endokriner Disruptor (also östrogenzerstörend) und wird von dem mikroskopisch kleinen Pilz Fusarium graminearum produziert. Die ZEA-positiven Mädchen im Alter von 9 und 10 Jahren »neigten dazu, kleiner gewachsen zu sein und hatten mit geringerer Wahrscheinlichkeit den Beginn der Brustentwicklung erreicht«.4
ZEA-Mykotoxine befallen Getreidesorten wie Mais, Gerste, Hafer, Weizen, Reis und Sorghum,5 gelangen aber auch in der Nahrungskette hinauf zu Fleisch-, Ei- und Milchprodukten von Tieren, die mit Getreide gefüttert wurden. Selbst in Bier waren sie nachweisbar. Tatsächlich konnten die Forscher eine Verbindung herstellen zwischen dem ZEA-Wert im Urin der jungen Mädchen und ihrem Konsum häufig kontaminierter Quellen wie Rindfleisch und Popcorn.
Interessanterweise sind Derivate der ZEA-Mykotoxine als orales Kontrazeptivum (Verhütungsmittel) patentiert. Und einem aktuellen Artikel zufolge wird Zearalenon »in den Vereinigten Staaten seit 1969 häufig dafür eingesetzt, die Mastraten bei Rindern durch eine Steigerung der Wachstumsrate und eine effizientere Nahrungsumwandlung zu verbessern. Beweise für eine Schädigung des Menschen aufgrund dieser Praxis liefern Beobachtungen einer allgemein frühzeitigen Pubertät. Aus diesem Grund hat die Europäische Union diese Praxis verboten.« Andere Forschungsergebnisse haben den Zusammenhang zwischen Mykotoxinen und vorzeitiger Pubertät bestätigt.
Schweine, die mit Zearalenon verseuchtem Mais gefüttert wurden, erlitten Östrogensyndrome wie Vergrößerung des Uterus, Anschwellen der Vulva und der Milchdrüsen sowie Pseudoschwangerschaften. All das geht aus Forschungsergebnissen hervor, die bereits vor fast vier Jahrzehnten veröffentlicht wurden.
Molekularuntersuchungen zeigen, dass ZEA beim Nanogramm-für-Nanogramm-Vergleich eine viel höhere Bindungsaffinität für Östrogenrezeptoren aufweist, als man sie bei anderen bekannten endokrinen Disruptoren wie DDT und Bisphenol A findet, und zwar in beiden Unterarten von Östrogenrezeptoren.6 Selbst eine gesunde Mikroflora im menschlichen Darm ist zudem nicht imstande, Zearalenon abzubauen, anders als Bisphenol A.7
Bei der ZEA-Studie, die mit jungen Mädchen aus New Jersey arbeitete, handelte es sich überraschenderweise um die allererste Studie, die sich mit den östrogenstörenden Eigenschaften von Mykotoxinen befasst hat. Sie zeigt, wie groß im Hinblick auf die öffentliche Gesundheit die Notwendigkeit ist, weitere Forschung in dieser Richtung anzugehen. Aktuell unterliegen über 40 Mykotoxine wegen gesundheitlicher Bedenken in mehr als 100 Ländern einer Regulierung.8 Dennoch ist der Großteil davon noch nicht vollständig charakterisiert oder auf potenzielle Gesundheitsrisiken hin untersucht worden.
Was können wir gegen das Problem mit den Mykotoxinen unternehmen?
Leider sind konventionelle genauso wie Bio-Getreideprodukte anfällig für eine Verseuchung mit Mykotoxinen.9 Auch scheint das Kochen von mit Mykotoxin kontaminiertem Getreide die Konzentration nicht spürbar zu senken. Insofern bleibt als Lösung vermutlich nur eine möglichst weitreichende Abwendung von Getreidekörnern – und zwar besonders von Produkten, die nicht frisch sind wie beispielsweise abgepackte Maiskolben. Weite Teile der amerikanischen Getreideproduktion sind mit Agrarchemikalien wie Glyphosat verseucht. Glyphosat ist der wichtigste Wirkstoff in Roundup und wurde durch die Anwendung rekombinanter DNA so verändert, dass es potenziell schädliche Transgene enthält. Mit diesem Wissen dürfte es nicht so schwierig sein, auf Mais zu verzichten. Unsere Leidenschaft für andere anfällige Getreidearten wie beispielsweise Weizen ist da möglicherweise nicht so leicht abzulegen.
Wenn Sie Getreidearten von Ihrem Speiseplan streichen wollen, die für Schimmelpilz anfällig sind, besteht ein guter Ansatz darin, sich auf Gemüse zu konzentrieren, die wenig Stärke enthalten und reich an Nährstoffen sind, wie beispielsweise Grünkohl. Anstelle von länger haltbaren verarbeiteten Getreideprodukten, die viel Mykotoxin enthalten, greifen Sie besser zu frischem Obst und Gemüse.
In Studien hat sich gezeigt, dass Knoblauch die negativen Folgen von Zearalenon-Toxizität reduzieren kann. Nimmt man möglicherweise verunreinigtes Getreide oder kontaminierte Getreideprodukte zu sich, könnte sich Knoblauch also als ein ausgezeichnetes Gewürz Fälle erweisen. Dass es rund um den Globus praktisch keine Küche gibt, die ohne Gewürze arbeitet, könnte zum Teil auch darauf zurückzuführen sein, dass Gewürze die negativen Folgen von Mykotoxinen und verwandter Krankheitserreger im Essen bekämpfen.
Dieser Artikel erschien erstmals am 31. Juli 2020 auf GreenMedinfo.com.