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Japan war eines der ersten Länder außerhalb Chinas, das vom Coronavirus heimgesucht wurde, und ist jetzt unter den Industrienationen eines der am wenigsten betroffenen. Das wundert die Gesundheitsexperten.

Auf einen Blick
  1. Entgegen aller Erwartungen liegt in Japan trotz seiner Nähe und engen Verbindungen zum Ursprungsland China die Infektionsrate auf einem relativ niedrigen Niveau.
  2. Bisher konnte Japan mit Schulschließungen, dem Verzicht auf Veranstaltungen und mehr Homeoffice die Ausbreitung des Coronavirus unter Kontrolle halten. Entscheidend aber ist vermutlich die Handhabung der Tests – gerade im Vergleich zu anderen Ländern.
  3. Sollte Japan dennoch einen Anstieg der Infektionen erleben, ist es vermutlich besser gerüstet als viele andere Industrieländer. Es besitzt etwa 13 Krankenhausbetten pro 1000 Einwohner, die höchste Rate unter den G7-Staaten.

Die Infektionsrate in Japan ist erstaunlich niedrig

Im Gegensatz zu Chinas drakonischen Isolationsmaßnahmen, der in vielen europäischen Ländern angeordneten Massenquarantäne und der Anweisungen in vielen amerikanischen Großstädten, zu Hause zu bleiben, hat Japan keine Sperrungen erlassen. Zwar kam es aufgrund von Schulschließungen zu Beeinträchtigungen, doch für die meisten Japaner geht das Leben ganz normal weiter. In Tokio sind die Züge zu Stoßzeiten noch immer zum Bersten voll und die Restaurants bleiben geöffnet.

Händewaschen, Gurgeln mit einer Desinfektionslösung und Maskentragen gehören in Japan auch ohne Corona zum Alltag
©Wiphop – stock.adobe.com

Die entscheidende Frage ist, ob Japan noch einmal davongekommen ist oder demnächst hart getroffen wird. Die Regierung behauptet, sie habe rigoros Infektionsherde identifiziert und sei so aggressiv gegen die Ausbreitung vorgegangen, was dazu geführt hat, dass das Land insgesamt und gemessen an der Bevölkerungszahl die geringste Infektionsrate unter den Industrieländern aufweise. Kritiker argumentieren, dass Japan nur wenig getestet hat, vielleicht in dem Bemühen, die Infektionszahlen gering zu halten, weil es im Juli in Tokio die Olympischen Spiele ausrichten will.

Die anfänglich langsame Reaktion des Landes auf das Virus, sein Umgang mit dem Kreuzfahrtschiff Diamond Princess – wo sich, während das Schiff in Yokohama in Quarantäne vor Anker lag, etwa jeder fünfte Passagier infizierte – sowie die Entscheidung, zunächst keine Einreiseverbote für Reisende aus China zu verhängen, führten zur Kritik, das Land könnte zu einem »zweiten Wuhan« werden. Die Maßnahmen, um das Virus einzudämmen, – wie zum Beispiel Schulschließungen und die Absage großer Veranstaltungen – wirken im Vergleich zu dem, was andere Länder unternommen haben, eher lasch.

War’s das schon oder kommt es noch?

Doch am 18. März hatte Japan lediglich wenig mehr als 900 bestätigte Fälle zu vermelden – das Kreuzfahrtschiff nicht mitgerechnet. In den USA, Frankreich und Deutschland lag die Zahl jeweils über 7.000, und Italien näherte sich 36.000 Infizierten. Im Nachbarland Südkorea, wo ab Ende Februar nach einer Welle bestätigter Infektionen umfassend getestet wurde, lag die Zahl bei etwa 8.500, doch die Zahl der Neuinfektionen sinkt inzwischen.

In Tokio, einer der am dichtesten besiedelten Metropolen der Welt, lag die Zahl der Fälle bei 0,0008 Prozent der Bevölkerung. Hokkaido, die am stärksten betroffene Region Japans, hat den Notstand bereits wieder aufgehoben, weil die Zahl der Neuinfektionen gesunken ist.

Kenji Shibuya, Professor am King‘s College in London und ehemaliger Leiter der Gesundheitspolitik der WHO, sieht zwei Möglichkeiten: Dass Japan die Ausbreitung eingedämmt hat, indem es sich auf Infektionsherde konzentrierte, oder dass es noch zu Ausbrüchen kommen wird.

»Beides ist denkbar, doch ich vermute, dass es in Japan zu einer Explosion der Infektionszahlen kommen und das Land unweigerlich sehr bald von der Eindämmung zur Verlangsamung der Peak-Phase übergehen wird«, sagte er. »Die Zahl der Tests steigt, ist aber nicht ausreichend.«

Hat die Nähe zu China sensibilisiert?

Japans Nähe zu China hat vielleicht dazu beigetragen, zu einem Zeitpunkt Alarm auszulösen, als die Krankheitsausbreitung noch in einer besser kontrollierbaren Phase war. Ende Januar, kurz nachdem ersten Infektionsfall in Japan, einer Person, die sich nicht in China aufgehalten hatte, tauchten überall in Büros und Geschäften Handdesinfektionsmittel auf, der Verkauf von Atemschutzmasken schnellte in die Höhe, und die Menschen begannen zu akzeptieren, dass ein paar Maßnahmen ergriffen werden mussten, um die Gesundheit der Allgemeinheit zu schützen. Das könnte auch dazu beigetragen haben, die Kurve der Infektionen abzuflachen.

»Japan hatte das Glück, dass nur wenige Fälle von SARS-CoV-2 ins Land gebracht wurden, und sie scheinen in begrenzten, leicht zu kontrollierenden Gebieten konzentriert geblieben zu sein«, sagte Laurie Garrett, eine amerikanische Wissenschaftsjournalistin, und bezog sich dabei auf den technischen Namen des Coronavirus.

In einem Bericht eines von der Regierung eingesetzten Gremiums hieß es am 9. März, dass etwa 80 Prozent der in Japan identifizierten Infizierten die Infektion trotz der hohen Ansteckungsgefahr des Virus nicht weiter verbreitet haben. Doch es besteht keine Einigkeit darüber, warum dies so ist, und Skepsis, ob dieselbe Regierung, die von den amerikanischen Gesundheitsbehörden getadelt wurde (was selten vorkommt) , weil sie den Ausbruch auf der Diamond Princess aus dem Ruder hatte laufen lassen, nun beim Coronavirus tatsächlich richtig handelt.

Kulturelle Besonderheiten leisten Vorschub

»Viele Infektionsherde wurden in einem vergleichsweise frühen Stadium identifiziert«, stellte der Ausschuss in diesem Monat fest. Premierminister Shinzo Abe zitierte diese Ergebnisse, als er am Samstag erklärte, dass Japan noch nicht den Notstand ausrufen müsse.

Japan hat möglicherweise einige kulturelle Vorteile, wie zum Beispiel, dass Händeschütteln und Umarmungen weniger üblich sind als bei den anderen G7-Mitgliedsstaaten. Außerdem wäscht man sich dort häufiger die Hände als in Europa.

Die Fälle der saisonalen Grippeinfektionen waren 7 Wochen in Folge am Abflauen, als sich das Coronavirus auszubreiten begann. Das weist darauf hin, dass die Japaner möglicherweise die Notwendigkeit einiger grundlegender Maßnahmen zur Eindämmung von Infektionskrankheiten beherzigten. Daten des Tokyo Metropolitan Infectious Disease Surveillance Center (Überwachungszentrum von Infektionskrankheiten in Tokio) belegen, dass in diesem Jahr die Grippewelle deutlich schwächer ausfiel als üblicherweise und dass es landesweit so wenige Fälle gab wie zuletzt im Jahr 2004.

Japan hat seine Kapazitäten hochgefahren, aber im Vergleich zum Nachbarland Südkorea nur etwa 5 Prozent der Menschen getestet – trotz höherer Bevölkerungszahlen. Aber auch die Situation in Italien, das ausgiebig getestet hat, nur um die Krankenhäuser überfordert zu sehen, hat ebenfalls eine gewisse Pause eingelegt.

»Die Rate der Todesfälle ist in Italien fast dreimal so hoch wie in Japan«, sagte Yoko Tsukamoto, Professor für Infektionsforschung an der Medizinischen Hochschule von Hokkaido. »Einer der Gründe ist, dass man, wenn man getestet wird, in Quarantäne kommt, das heißt, dass sie nicht genügend Betten für Patienten mit relativ harmlosen Krankheitsverläufen haben.«

Japan hat allein am Mittwoch vergangener Woche mehr als 15.000 Menschen getestet, und trotz entmutigender Kontrollen bei denjenigen, die keine Symptome zeigen oder Kontakt mit einem Infizierten hatten, liegt die Infektionsrate bei 5,6 Prozent. Zum Vergleich: Südkorea sind es 3 Prozent, Italien jedoch bei 18 Prozent. Aber Japan steht vermutlich noch ein schwerer Kampf bevor, um die Infektion einzudämmen.

»Es ist wirklich schwierig, jeden Fall zu identifizieren, weil so viele Infektionen mild verlaufen. Die Eindämmung hat in Hongkong und Singapur durch aggressives Aufspüren der Fälle funktioniert«, sagte Ben Cowling, ein Epidemiologe der Universität von Hongkong. »Ich rechne in Japan wegen der unbemerkten Ausbreitung in der Bevölkerung mit einer allmählichen Zunahme der Fälle.«

Ist Japan bestens gerüstet?

Die japanischen Behörden erklären, dass sie auf ihre Testmaßnahmen vertrauen. »Wir sehen keine Notwendigkeit, unsere gesamte Testkapazität einzusetzen, nur weil wir sie haben«, erklärte Yasuyuki Sahara vom Gesundheitsministerium am Dienstag bei einer Lagebesprechung. »Wir denken auch nicht, dass es notwendig ist, die Menschen zu testen, nur weil sie sich Sorgen machen.«

Sollte Japan einen Anstieg der Corona-Infektionen erleben, könnte es besser gerüstet sein als viele andere Industrieländer. Es besitzt etwa 13 Krankenhausbetten pro 1000 Einwohner, die höchste Rate unter den G7-Staaten und laut Daten der Weltbank mehr als dreimal so viele wie Italien, die USA, Großbritannien und Kanada.

Selbst wenn Japan nicht alle Infizierten erfasst, sind die Krankenhäuser nicht überfordert, und es gab keinen Anstieg der Fälle von Lungenentzündung, stellten die Gesundheitsbehörden fest. Zwar hat der Premierminister die Grenzkontrollen verschärft, doch am Donnerstag wurde von einem Expertenteam der Regierung erklärt, dass es möglich sei, die Schulen in Regionen ohne bestätigte Neuinfektionen wieder zu öffnen, wenn im April das neue Schuljahrs beginnt.

»Wir werden alles Mögliche tun, um den Ausbruch des Coronavirus zu beenden«, sagte Abe.

Dieser Artikel erschien am 20. März 2020 auf JapanTimes News.

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