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Die europäischen Honigbienen (Apis mellifera) sind ein Quell unschätzbarer medizinischer Substanzen. Dazu gehören unter anderem Honig, Propolis und Bienengift. All diese Substanzen verwendet der Mensch seit Jahrtausenden, um zu heilen.1
Für den brennenden Schmerz, den man verspürt, wenn einen eine Biene gestochen hat, ist das Bienengift verantwortlich, das aus dem Stachel der Biene ausgeschieden wird. Während Bienengift eine komplexe Mischung aus Proteinen, Enzymen und Polypeptiden sowie Aminosäuren, Katecholaminen, Zuckern und Mineralien enthält, ist Melittin – das bezogen auf das Trockengewicht, die Hälfte des Bienengiftes ausmacht2 – für die Schmerzen verantwortlich.3
Dieses Aminosäurepeptid hat zusammen mit dem Bienengift, in dem es enthalten ist, in der Vergangenheit starke antitumorale und krebsbekämpfende Eigenschaften gezeigt. Unter anderem gegen folgende Krebsarten:4
Eierstockkrebs | Nicht-kleinzelliger Lungenkrebs |
Glioblastom (bösartiger Hirntumor) | Leukämie |
Bauchspeicheldrüsenkrebs | Gebärmutterhalskrebs |
Lungenkrebs | Leberkrebs |
Über die molekularen Mechanismen, die sich hinter der krebsbekämpfenden Wirkung des Bienengiftes abspielen, ist allerdings wenig bekannt. Das hat Forscher des Harry-Perkins-Instituts für medizinische Forschung in Australien dazu veranlasst zu untersuchen, wie Brustkrebs-Subtypen, insbesondere in Bezug auf die dreifach-negativen und HER2-angereicherten, reagieren. Denn für diese aggressiven Krebsarten sind die Behandlungsmöglichkeiten begrenzt und gehen mit einigen der schlechtesten Prognosen einher.5
Bienengift tötet aggressive Brustkrebszellen
Forscher setzten das Gift von 312 Honigbienen und Hummeln aus Perth, Westaustralien, Irland und England ein und testeten es an normalen Brustzellen sowie an Zellen von aggressiven Untertypen von Brustkrebs.6
Das Gift der Honigbiene erwies sich als »extrem potent«, wobei bestimmte Konzentrationen den 100-prozentigen Tod der Krebszellen mit nur minimaler Nebenwirkung auf normale Zellen auslösten. Darüber hinaus war Melittin so stark wirksam, dass es in der Lage war, die Membranen der Krebszellen innerhalb von nur 60 Minuten vollständig zu zerstören, so die Forscherin Ciara Duffy. Sie sagte in einer Pressemitteilung:7
»Niemand hatte zuvor die Wirkungen von Bienengift oder Melittin auf all die verschiedenen Unterarten von Brustkrebs und auf normalen Zellen miteinander verglichen. Wir testeten Bienengift an normalen Brustzellen und an Zellen aus den klinischen Subtypen von Brustkrebs: Hormonrezeptor-positiv, HER2-angereichert und dreifach-negativer Brustkrebs.«
»Wir testeten ein sehr kleines, positiv geladenes Peptid im Bienengift, namens Melittin, das wir synthetisch reproduzieren konnten, und stellten fest, dass das synthetische Produkt die Mehrheit der krebsbekämpfenden Wirkungen des Bienengiftes abbildete. Wir konnten feststellen, dass sowohl das Bienengift als auch das Melittin die Lebensfähigkeit von dreifach negativem Brustkrebs und HER2-angereicherten Brustkrebszellen signifikant, selektiv und schnell reduzierte.«
Im Gegensatz dazu löste Hummelgift, das kein Melittin enthält, selbst in den höchsten Konzentrationen keinen Zelltod aus.
Melittin stört die Signalwege der Krebszellen
Des Weiteren untersuchten die Forscher, wie Melittin als Krebsmittel wirkt, und untersuchten im Speziellen seine Rolle bei den Signalwegen in Krebszellen, die für das Wachstum und die Vermehrung von Krebszellen eine entscheidende Rolle spielen. Melittin griff schnell in die Signalwege ein und reduzierte im Wesentlichen die Zellreplikation. Duffy erklärte:8
»Melittin modulierte die Signalübertragung in Brustkrebszellen, indem es die Aktivierung des Rezeptors unterdrückte, der bei dreifach negativem Brustkrebs häufig überexprimiert wird, des epidermalen Wachstumsfaktor-Rezeptors, und es unterdrückte die Aktivierung von HER2, das bei HER2-angereichertem Brustkrebs überexprimiert wird.«
Melittin verursacht auch die Bildung von Poren oder Löchern in Brustkrebszellen, was die Forscher zu der Vermutung veranlasst, dass es zusammen mit Chemotherapeutika eingesetzt werden könnte, um deren Eindringen in die Krebszellen zu fördern.
Eine Kombination von Melittin und dem Chemotherapeutikum Docetaxel reduzierte das Tumorwachstum in einer Studie an Mäusen. Daher schlugen die Forscher seinen, möglicherweise über Brustkrebs hinausgehenden Einsatz zur Behandlung weiterer aggressiver Krebsarten vor wie beispielsweise Lungen-, Glioblastom-, Kolorektal-, Magen-, Eierstock-, Gebärmutter-, Blasen- sowie Nackenkrebs oder Hirntumore.9,10
Es werden in Zukunft weitere Studien erforderlich sein, um die beste Verabreichungsmethode und die maximal verträglichen Dosen zu bestimmen sowie mögliche Toxizitäten weiter zu bewerten. Aber die Forscher sind überzeugt davon, dass Honigbienengift eine kostengünstige, weithin verfügbare und leicht zugängliche Behandlungsoption darstellt, die weltweit, auch in abgelegenen oder weniger entwickelten Regionen, eingesetzt werden könnte.11
Bienengift hat vielseitige medizinische Anwendungsmöglichkeiten
Seit der Antike werden, über die krebsbekämpfenden Eigenschaften hinaus, Bestandteile des Bienengiftes für die Gesundheit und das Wohlbefinden des Menschen verwendet. Wie in der Zeitschrift Toxins erläutert:
»Die therapeutische Verwendung von Bienengift reicht bis ins alte Ägypten (4000 v. Chr.) zurück. Später berichteten Hippokrates, Aristoteles und Galen während der griechischen und römischen Epoche von seiner Anwendung. In der Traditionellen Chinesischen Medizin und anderen historischen Heilverfahren wurde Bienengift bei entzündlichen Erkrankungen wie Rheuma, Arthritis, Sehnenentzündungen, Fibrose, Lupus und Multipler Sklerose verwendet.«12
In neuerer Zeit wurde Bienengift zur Behandlung von Herzerkrankungen und degenerativen Erkrankungen des Nervensystems, einschließlich Multipler Sklerose, Alzheimer und Parkinson eingesetzt.13
Bienengift enthält auch Antikoagulationsfaktoren und ist dafür bekannt, die Blutgerinnungszeit zu erhöhen. Eine sogenannte Akupunktur mit Bienengift wurde zur Kontrolle chemotherapie-induzierter Neuropathie eingesetzt wurde.14
Auch Apamin, ein weiteres Peptid im Bienengift, hat potenzielle medizinische Eigenschaften und wurde als Behandlung gegen Parkinson, Lernstörungen und Krankheiten, die eine hohe Muskelerregbarkeit beinhalten, erforscht. Es ist bekannt, dassApamin die neuromuskuläre Übertragung reduziert.15
Darüber hinaus hat Bienengift eine Reihe bekannter biologischer und pharmakologischer Eigenschaften, wie beispielsweise eine radioprotektive, entzündungshemmende, antibakterielle und antivirale Wirkung. Ironischerweise hat das Gift, obwohl Bienenstiche schmerzhaft sind, neben der immunmodulierender Aktivität und Effekten bei rheumatischer Arthritis auch schmerzlindernde Wirkung.16
Da sowohl Bienengift als auch Melittin starke Entzündungshemmer sind, wurden sie auch zur Behandlung von entzündlichen Hauterkrankungen wie atopischer Dermatitis untersucht. Eine Studie deutet darauf hin, dass sie eine wertvolle topische Behandlung der atopischen Dermatitis darstellen könnten, weil sie sogar die damit verbundenen Hautläsionen verringern17 und die Hautregeneration fördern.18
Bienengift hat auch eine antimikrobielle Wirkung und kann gegen arzneimittelresistente Bakterien, Viren, einschließlich des Humanen Immundefizienz Virus (HIV),19 und Pilze nützlich sein.20
Nach einem Bericht in der Zeitschrift Toxins könnte es sogar eine Möglichkeit zur Bekämpfung der Epidemie arzneimittelresistenter Krankheiten darstellen: »Bienengift und seine Bestandteile in Kombination mit Antibiotika erweisen sich als ein plausibler Ansatz zur gezielten Bekämpfung der Arzneimittelresistenz der gegenwärtigen Antibiotikabehandlung.«21
Die Apitherapie ist ein aufstrebendes Feld
Die Apitherapie, deren Name sich von dem lateinischen Wort apis oder Biene herleitet, ist eine Therapieform, die Produkte von Honigbienen wie Bienengift, Honig, Pollen, Gelée Royale, Propolis und Bienenwachs nutzt.22
Bei der Akupunkturbehandlung mit Bienen werden lebende Bienen eingesetzt, Bienenstiche zu verabreichen. Diese sollen eine entzündungshemmende Immunreaktion hervorrufen. Allerdings hat diese Therapieform aufgrund möglicher allergischer Reaktionen negative Aufmerksamkeit erregt, weil eine Frau zu Tode kam, die im Vorfeld nicht allergisch gegenüber Bienen war.23,24
Dennoch wird den vielen Formen der Apitherapie erneut große Aufmerksamkeit geschenkt. Denn sie haben das Potenzial, ein breites Spektrum menschlicher Erkrankungen zu verbessern. Das sind zum Beispiel:
Honig
Honig, eine komplexe Mischung aus Zuckern, Aminosäuren, Phenolen und anderen Verbindungen, wird seit der Antike wegen seiner medizinischen Eigenschaften geschätzt. Honig wird von den Bienen aus Blütennektar hergestellt. Die medizinischen Eigenschaften des Honigs variieren je nach Art der Blüte beziehungsweise Pflanze, von der er stammt.
Einer der am besten erforschten und bekanntesten ist der Manuka-Honig, der wegen seiner antibakteriellen Eigenschaften geschätzt wird und aus bestimmten Manukapflanzen – auch Teebäume genannt – der Art Leptospermum hergestellt wird, die in Neuseeland und Australien heimisch sind.25
Propolis
Bienen stellen klebriges Propolis her und verwenden es im Bienenstock als natürlichen Immunschutz, der sie vor Bakterien und Pilzen schützt. Propolis enthält über 300 natürliche und wirkungsvolle Verbindungen26 mit antiseptischen, antimikrobiellen, antimykotischen, antiviralen und entgiftenden Eigenschaften und wird manchmal auch als »russisches Penicillin« bezeichnet.27 Die American Apitherapy Society stellte fest:28
»Propolis enthält Flavonoidverbindungen, die für ihre entzündungshemmende und antioxidative sowie für ihre gewebestärkende und regenerative Wirkung bekannt sind. Eine polnische Studie aus dem Jahr 1994 ergab, dass Mäuse, denen Propolis verabreicht wurde, länger lebten als die Mäuse in der Kontrollgruppe.«
Bienenpollen
Bienenpollen, die Hauptquelle für Nahrungsproteine der Bienen, ist vollgepackt mit Vitaminen und Mineralien, einschließlich Vitamin B und mehr Protein pro Gramm als jedes andere tierische Produkt. Im Wesentlichen handelt es sich dabei um einen vollständig natürlichen, nahrungsbasierten, bioverfügbaren Nährstoffschub.29
Bienenpollen haben entzündungshemmende, krebsbekämpfende und antiarthritische Eigenschaften, enthalten aber auch Phytochemikalien, die das Immunsystem normalisieren und die dazu beitragen können, Allergiesymptome bei Menschen mit Pollenallergie zu verringern.30
Gelée Royale
Gelée Royale ist das Hauptnahrungsmittel des Bienenstocks. Mit dieser Substanz wird das Ei gefüttert, aus dem sich später eine Bienenkönigin entwickelt. Innerhalb der ersten 3 Tage der Entwicklung werden alle Larven mit Gelée Royale gefüttert. Dann frisst nur noch eine Larve, die zur Königin werden soll Gelée Royale – und das ausschließlich.
Gelée Royale ist insofern einzigartig, als es Proteine, Zucker, Fette und Aminosäuren zusammen mit der Verbindung Acetylcholin enthält, die ihm nootrope Wirkung verleiht.(31) Nootrope Stoffe sind Substanzen, die die kognitiven Funktionen, insbesondere die exekutiven Funktionen wie Gedächtnis, Kreativität oder Motivation, verbessern können.
Laut einem Bericht in der Zeitschrift Oxidative Medizin und Zelluläre Langlebigkeit ist »Gelée Royale bekannt für seine schützende Wirkung auf die rFortpflanzungsfähigkeit, neurodegenerative Störungen, Wundheilung und Alterung.«32
Bienenwachs
Bienenwachs, das aus mindestens 284 verschiedenen Verbindungen besteht, ist ein weiteres vielseitiges und weit verbreitetes Bienenprodukt.33 Während Bienen das Wachs verwenden, um die Waben zu bauen und die Honigzellen zu deckeln, schätzen Menschen Bienenwachs für Vielerlei – alles von Kerzen bis hin zur Hautpflege.
Der Schutz der Bienen ist unerlässlich
Wenn man bedenkt, dass Bienen den Menschen mit so einzigartigen, die Gesundheit fördernden Produkten versorgen, die in der Natur sonst nirgendwo erhältlich sind, und als wesentliche Bestäuber fungieren, die für das Wachstum von mindestens 30 Prozent der weltweiten Nahrungspflanzen unerlässlich sind,34 ist der Schutz der Bienen in der Umwelt von größter Bedeutung.
Leider sind die Bienen durch Pestizide und andere Umwelteinflüsse bedroht. Forscher an der Universität von New Hampshire warnen zum Beispiel vor einem »dramatischen Rückgang« von 14 Wildbienenarten, die für die Bestäubung von Äpfeln, Heidelbeeren, Cranberries und anderen im Nordwesten angebauten Kulturpflanzen benötigt werden.35
Um zu vermeiden, dass Bienen und andere hilfreiche Bestäuber, die Ihren Garten besuchen, weiterhin Schaden nehmen, sollten Sie dringend giftige Pestizide und Unkrautvernichtungsmittel gegen nicht-chemische Alternativen zur Unkraut- und Schädlingsbekämpfung austauschen. Noch besser ist es, wenn Sie sich ganz von Ihrem Rasen verabschieden und stattdessen einen blütenreichen, essbaren organischen Garten anlegen.
Sowohl Blumen- als auch Gemüsegärten bieten gute Lebensräume für Honigbienen. Zumindest sollten Sie in Ihrem Garten oder Hinterhof ein kleines Becken mit frischem Wasser bereithalten, denn auch Bienen können durstig sein.
Dieser Artikel erschien erstmals am 03. Oktober 2020 auf Mercola.com.