Inhaltsverzeichnis
Zuckermangel als Ursache für gesunde Zähne
Nach dem Zweiten Weltkrieg herrschte in Finnland eine gravierende Zuckerknappheit. Das ist heute der Grund dafür, dass die Finnen zu den Menschen gehören, die am wenigsten unter Karies leiden. Und zwar nicht, weil sie auf Süßes und Zucker verzichten mussten, sondern weil sich findige Köpfe nach dem Zweiten Weltkrieg daran erinnerten, dass um 1890 der spätere Chemie-Nobelpreisträger Emil Fischer eine interessante Entdeckung machte:1 aus Buchenholzspänen extrahierte er einen Stoff, den er Xylit nannte.
Die Substanz schmeckte süß und stellte sich als hervorragender Ersatz für normalen Haushaltszucker heraus. Also begannen die Finnen nach dem Zweiten Weltkrieg, Xylit in großen Mengen als Ersatz für Haushaltszucker herzustellen. Schon bald wurde Xylit für alle möglichen Arten der Lebensmittelherstellung und -verarbeitung verwendet – für Gebäck, Marmeladen, Konfitüren, und alle erdenklichen Süßwaren, darunter auch Bonbons und sogar Schokolade.
Etliche Jahre nach Kriegsende stellten finnische Zahnärzte bei einer Untersuchung erstaunt fest, dass die Zahngesundheit der Finnen auf unerklärliche Weise immer besser wurde. Karies und Zahnfleischentzündungen gingen zurück. Um dieses Phänomen zu erforschen, wurden Studien angestellt, bei denen sich Xylit als Ursache für die auf wunderbare Weise zunehmende Zahngesundheit herauskristallisierte.
Was ist Xylit …
Chemisch gesehen handelt es sich bei Xylit um einen sogenannten Zuckeralkohol, der auf natürliche Weise in vielen Obst- und Gemüsesorten, wie etwa in Pflaumen, Himbeeren, Erdbeeren oder Blumenkohl, vorkommt. Allerdings ist der Anteil von Xylit in diesen Obst- und Gemüsesorten verschwindend gering, er beträgt weniger als ein Prozent der gesamten Masse.2 Das ist viel zu wenig, um durch den Verzehr dieses Obsts oder Gemüses die für die Kariesvorbeugung benötigte Menge gewinnen zu können.
Heute wird Xylit auch als Birkenzucker bezeichnet. Der Grund ist, dass Xylit in Finnland überwiegend aus der Rinde von Birken gewonnen wird, da diese Bäume dort in Hülle und Fülle vorhanden sind. Das mittlerweile im Handel erhältliche Xylit wird jedoch auch aus anderen Quellen gewonnen, zum Beispiel aus Buchenholz, Maiskolben, Stroh oder Getreidekleie. Moderne Herstellungsprozesse sorgen dafür, dass Xylit durchaus erschwinglich geworden ist. Kostete 1 Kilogramm davon vor 10 Jahren noch mehr als 80 Euro, ist diese Menge jetzt für 10 bis 15 Euro erhältlich.
… und wie wirkt es?
Von seinen Eigenschaften her, ist Xylit ein nahezu idealer Zuckeraustauschstoff. Der Birkenzucker hat etwa die gleiche Süßkraft wie Haushaltszucker, zergeht im Mund ähnlich angenehm und lässt sich in der Küche genauso gut verarbeiten. Das alles aber verbunden mit dem Vorteil, dass Xylit nur etwas mehr als die Hälfte der Kalorien von Haushaltszucker (Saccharose) enthält. Während 1 Gramm Saccharose 4 Kalorien liefern, bringt es 1 Gramm Xylit lediglich auf 2,4 Kalorien.
Der wichtigste Vorteil von Xylit ist, dass die Substanz die Entstehung von Karies hemmt, die Remineralisierung bereits angegriffener Zähne unterstützt, die Ansiedelung und Vermehrung positiver Bakterien in der Mundhöhle fördert, die Bildung von Plaque und Zahnstein bremst, die Heilung von Erkrankungen des Zahnfleisches anregt und teilweise sogar unangenehmen Mundgeruch neutralisiert.
Die wichtigste Eigenschaft von Xylit ist, dass es direkt auf den Stoffwechsel und das Wachstum von Bakterien einwirkt.3,4 Auf diese Weise wird es zu einem Bakteriostatikum, dass – wie Forscher der kanadischen Laval-Universität in Quebec feststellten – als eine Art »natürliches Antibiotikum« die Ausbreitung und die Aktivität von kariesverursachenden Bakterien eindämmt.5
So beeinflusst Xylit die Zahngesundheit
Mittlerweile belegen mehr als 300 Studien die Anti-Karies-Wirkung von Xylit.6 Besonders aussagekräftig sind die sogenannten Turku-Studien, die von Professor Kauko Mäkinen an der finnischen Universität Turku durchgeführt wurden.7 An der ersten dieser Studien8, die über 2 Jahre hinweg vorgenommen wurde, nahmen insgesamt 125 Personen teil. Die Versuchsteilnehmer wurden in drei Gruppen eingeteilt: Eine Gruppe mit 35 Teilnehmern erhielt Lebensmittel, die mit herkömmlichem Haushaltszucker (Saccharose) gesüßt waren. Die zweite Gruppe mit 38 Teilnehmern erhielt mit Fruchtzucker (Fructose) gesüßte Lebensmittel. Und die dritte Gruppe mit 52 Teilnehmern bekam Lebensmittel, die mit Birkenzucker (Xylit) gesüßt waren.
Über den gesamten Versuchszeitraum schieden zehn Personen aus der Studie aus, sodass nach Ablauf der Studienzeit der Zustand der Zähne von 115 Personen dokumentiert werden konnte. Festgestellt wurde, dass sich im Vergleich zur Saccharose-Gruppe bei der Fructose-Gruppe Karies um 30 Prozent und bei der Xylit-Gruppe um 85 Prozent verringerte. Anders ausgedrückt: In der Saccharose-Gruppe nahm die Zahl der kariesbefallenen Zähne über den Versuchszeitraum um 7,2 zu, in der Fructose-Gruppe um 3,8 und in der Xylit-Gruppe um 0.
In einer zweiten Turku-Studie9 mussten 100 Teilnehmer ein Jahr lang täglich vier Kaugummis kauen, die zusammen entweder 7 Gramm Saccharose oder 7 Gramm Xylit enthielten. Nach Ablauf des Versuchszeitraums wurde wieder die Entwicklung von Karies dokumentiert. In der Gruppe mit den Xylit-Kaugummis war die Zunahme von Karies um 82 Prozent niedriger als in der Gruppe mit den Saccharose-Kaugummis. Dass dieser Effekt auf das reine Kauen zurückzuführen ist, konnte ausgeschlossen werden, da beide Gruppen täglich die jeweils gleiche Anzahl von Kaugummis kauen mussten.
Xylit lässt die Kariesbakterien verhungern
Laut Weltgesundheitsorganisation WHO ist Karies die häufigste Infektionskrankheit überhaupt.10 Rund 95 Prozent der Menschen in Europa sind davon betroffen. Karies greift die Zähne an, macht sie krank, löst Schwellungen und manchmal schier unerträgliche Schmerzen aus. Im fortgeschrittenen Stadium kann die Schädigung eines Zahnes sogar dafür sorgen, dass er abstirbt. Die Auslöser von Karies sind Bakterien in der Mundhöhle, die durch den häufigen und reichlichen Verzehr von Haushaltszucker, Fruchtzucker oder Honig aggressiv und angriffslustig werden.
Zahnbelag, auch Plaque genannt, fördert die Kariesentstehung. Er besteht aus Speichel, Bakterien und den Stoffwechselprodukten dieser Bakterien. Bevorzugt bildet sich dieser zähe Belag in den Zahnzwischenräumen, auf freiliegenden Wurzeloberflächen, in den Vertiefungen auf den Kauflächen der Zähne und auf den Zahnhälsen – also überwiegend an Stellen, die mit der Zahnbürste nur schwer erreicht werden können. Die Bakterien im Mund vermehren sich und bilden mit der Zeit eine immer dickere Schicht Zahnbelag – in jedem Gramm davon tummeln sich etwa 170 Milliarden der Schädlinge.
Kommt jetzt auch noch Zucker aus der Nahrung hinzu, für verstoffwechseln die Bakterien diesen und bilden dabei eine Säure, die den Zahnschmelz angreift. Diese frisst sich in den Zahnschmelz hinein und lässt ihn allmählich porös werden. Durch diesen vorgeschädigten Zahnschmelz dringen die Bakterien dann in den Zahn ein und produzieren dort weiterhin schädliche Säure, sodass allmählich ein Loch im Zahn entsteht – der Zahn hat Karies.
Wird aber statt Haushaltszucker oder Fruchtzucker nun Birkenzucker zum Süßen hergenommen und verzehrt, so wird damit auch gleichzeitig den kariesauslösenden Bakterien die Nahrungsgrundlage entzogen. Diese versuchen den Birkenzucker wie Haushalts- oder Fruchtzucker zu behandeln, können ihn aber nicht verstoffwechseln und finden deshalb keine Nahrung mehr. Die Bakterien verhungern und sterben ab. Auf diese einfache Weise schützt Xylit vor Karies, in dem die auslösenden Bakterien beseitigt werden.
Dem menschlichen Organismus schadet Xylit hingegen nicht. Der Birkenzucker löst keinerlei Komplikationen oder unerwünschte Nebenwirkungen aus – vorausgesetzt der Stoffwechsel wird allmählich daran gewöhnt. Normalerweise kann eine gesunde Leber etwa 500 bis 600 Gramm Xylit in 24 Stunden verstoffwechseln. Jedenfalls bei Menschen, die an Xylit gewöhnt sind. Werden anfangs größere Mengen aufgenommen, kann das Durchfall zur Folge haben.
Als Faustformel für Xylit-ungewohnte Menschen gilt, dass etwa 1 Gramm pro Kilogramm Körpergewicht täglich ohne abführende Folgen verzehrt werden kann. Ist der Organismus an Xylit gewöhnt, indem zum Beispiel die aufgenommene Menge täglich gesteigert wird, hat ein Zuviel keine abführende Wirkung mehr, sondern wird entweder ausgeschieden oder in verwertbare Fettsäuren umgewandelt.
So wird Xylit angewandt
Zur Verwendung von Xylit zur Zahnpflege gibt es verschiedene Produkte: Bonbons, Pastillen, Kaugummis, Zahncreme, Mundgel oder auch das reine Xylitpulver. Egal, was man bevorzugt, wichtig ist stets, dass Xylit im Mund im Speichel gelöst wird und dort möglichst lange vorliegt – mindestens für 5 Minuten. Der Birkenzucker braucht diese Zeit, um im Mundraum auf die Zähne und das Zahnfleisch einwirken zu können.
Xylitpulver
Das weiße feinkörnige Pulver sieht aus wie normaler Haushaltszucker. Zu kaufen gibt es das Pulver mittlerweile in vielen Apotheken, Reformhäusern, Bio-Läden, im Internet-Versandhandel und neuerdings sogar in Supermärkten. Allerdings kann es sich von der Qualität her unterscheiden. Manchmal handelt es sich dabei um Xylitpulver, dem noch andere Zuckerarten beigemengt worden. Das verfehlt natürlich vollkommen den Sinn der Zahnpflege, da der beigemischte Zucker für Kariesbakterien Nährstoff ist.
Deshalb sollte beim Kauf darauf geachtet werden, dass es sich wirklich um reines Xylitpulver handelt. Am besten ist Bio-Qualität, da dann die Reinheit des Pulvers ebenso garantiert ist wie die gentechniklose Herstellung. Zur Anwendung möglichst nach jeder Mahlzeit einen guten halben Teelöffel davon in den Mund nehmen und kurz warten, bis das Pulver im Speichel aufgelöst ist. Dann für mindestens 5 Minuten im Mund hin und her bewegen, durch die Zahnzwischenräume ziehen und die Zähne gut damit umspülen. Nach der Anwendung darf die Xylitlösung ausgespuckt oder hinuntergeschluckt werden.
Xylit-Kaugummi
Auch diese Kaugummis gibt es mittlerweile in vielen Läden zu kaufen. Wie auch beim Xylitpulver sollte möglichst gentechnikfreies Xylit verwendet werden, das nicht mit anderen Zuckerarten vermischt ist. Der Gehalt an Xylit pro Kaugummi sollte stets mehr als 1 Gramm betragen. Für eine optimale Wirkung sollten über den Tag verteilt 6 bis 8 Kaugummis für jeweils mindestens 5 Minuten gekaut werden – am besten einen nach jeder Mahlzeit; die dafür nicht benötigten restlichen Kaugummis zwischendurch.
Xylit-Bonbons und -Pastillen
Auch hier gilt, dass sie möglichst nach den Mahlzeiten konsumiert werden sollten, am besten 3 bis 4 Stück am Tag. Bonbons und Pastillen eignen sich hervorragend zur Anwendung bei Kindern. Es gibt sie in allen möglichen Geschmacksrichtungen und sie können ohne Bedenken vor dem Einschlafen abends gelutscht werden.
Xylit-Mundgel
Das xylithaltige Gel eignet sich für eine möglichst lange Einwirkzeit. Deshalb wird auch empfohlen, es abends vor dem Schlafen auf die Zähne zu reiben und es dann die ganze Nacht einwirken zu lassen. Dazu ein etwa erbsengroßes Stück Mundgel auf einen Finger geben und anschließend auf den Zähnen verreiben. Sobald es mit Spucke etwas verdünnt ist, sollte es auch einige Male durch die Zahnzwischenräume gezogen werden.
Xylit-Zahncreme
Sie eignet sich wie jede andere Zahncreme auch zum Putzen der Zähne mit der Zahnbürste. Nur wurde ihr anstatt dem Haushaltszucker als Süßungsmittel Xylit beigegeben. Qualitativ hochwertige Xylit-Zahncremes enthalten keine chemischen Geschmackszusätze, sondern lediglich natürliche Geschmacksstoffe. Außerdem wird auf Schaumbildner verzichtet. Nach dem Zähneputzen kann die Xylit-Zahncreme deshalb abends ruhig im Mund verbleiben, sie löst sich dann über die Nacht auf.